Ausgabe 01 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Musik für die Massen

Hip HOOOP

Selten ist gefühlvoller in Deutschland gerappt worden. Gegen Rhymin Simon erscheinen selbst Xavier Naidoo und Glashaus wie Gossenpoeten. Liebe, Zuneigung und das Bedürfnis, echte Gefühle auszudrücken und zu vermitteln, sind der Antrieb des sympathischen Berliner Rappers. Er hat mit seiner Crew keine Berührungsängste vor einer weichen, fast möchte ich sagen: weiblichen Sprache. Er macht sich damit zur Avantgarde der Gendertheorie: Als hätte es nie einen Geschlechtergegensatz gegeben, besingt Rhymin Simon auf Kingpintin´ (Royal Bunker) in Form größter Hochachtung die Anmut seiner Gespielinnen – sanftmütig poetisch nennt er sie Biatches – wohl eine Anlehnung an den anglo-amerikanischen Sprachgebrauch. Kein Bild zu warm, kein Reim zu weich, den er vorbringt – kurz, dieser Junge hat keine Angst vor Kitsch und Romantik. Und hier macht er geradezu kunstvoll einen Brückenschlag in Richtung Hochkultur, denn Neo-Romantik und Neo-Neo-Kitsch schmücken momentan die feingeistigen Salons dieser Republik. Man fragt sich allerdings besorgt, ob man mit so einer Jugend noch einen Krieg gewinnen oder zumindest die Fußballweltmeisterschaft für unser Land entscheiden kann. Und wenn sich der Visionär und Preußenkönig Friedrich der Große seinerzeit ob der Rohheit seiner Muttersprache weigerte, deutsche Dichtung zur Kenntnis zu nehmen – selbst Goethe und Schiller ignorierte er –, Rhymin Simon hätte ihn begeistert. Will sagen: Natürlich ist Mr. Simon ein krasser Pornostyler mit beschränkten Skills und sein Humor sicherlich nicht jedermanns und insbesondere wohl nicht jederfraus Sache, aber selten war eindimensionaler Rap lustvoller.

Gänzlich von diesen humanoiden Themen und Anwandlungen gefeit sind die Puppetmastaz. „Rhymes Against Humanity" lautet ihr Credo. Die Legende will, daß eines schönes Tages in einem Berliner Hinterhof eine Maulwurf-Puppe auf ein paar Kröten, ebenfalls in Puppengestalt, trifft. Schnell ist der „Congress of Puppetry" ins Leben gerufen. Einziges Ziel: die Weltherrschaft. Mittel der Wahl: Old School HipHop. War ihr Begehren am Anfang durchaus nachvollziehbar, darf inzwischen das ganze Unternehmen in Frage gestellt werden: Nachdem furzende Klingelton-Frösche und besoffene Elche die menschliche Welt an den Rande des Wahnsinns getrieben haben, hat die ganze schöne Puppen-Animationswelt einen üblen Leumund. Na gut, Digi-Frösche gehören strenggenommen auch nicht zur Puppenwelt. Wie auch immer: Nun sind die Puppetmastaz mit Creature Shock Radio (Louisville) zur Ehrenrettung angetreten. Alles hübsch grobschlächtig arrangiert, ohne schlampig zu klingen. Wenn hier ein Vergleich jenseits der Toygroups erlaubt sei, dann vielleicht mit den Beastie Boys ­ und das ist dann auch gleich einer der Schwachpunkte des Albums: Es macht schon noch derben Spaß, das Ding zu hören, aber so richtig neu ist der Sound dann eben doch nicht mehr.

Marcus Peter

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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