Ausgabe 01 - 2006 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Schwule und Lesben mitten im Leben

Kleine Geschichte des Sonntags-Clubs

Hippijippijee. Der Slip kreist in immer wilderen Umdrehungen um den Finger. Die Barschlampe vollführt einen Strip auf dem Tresen. Männer und Frauen jubeln der Dame frenetisch zu. So könnte man sich einen Homoladen vorstellen. Manchmal, wenn es Sonntag ist oder Samstag, gehen auch im Sonntags-Club wilde Konzerte oder Parties ab. Nur gestrippt hat noch nie jemand. Schade eigentlich. Aber die Macher des Clubs sind für alles offen, solange sich Freiwillige finden. Ansonsten werden die Räume des Clubs durch den Kneipenlärm oder die Gesprächsrunden der verschiedenen Gruppen erfüllt. Meistens geht es dabei gediegen zu, doch manchmal auch etwas heftiger.

Der Sonntags-Club hat eine lange Geschichte: Schon am 15. Januar 1973 traf sich in einem Wohnzimmer in Ostberlin eine Gruppe von Freunden vor dem Fernseher und schaute den Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt von Rosa von Praunheim. Das Filmerlebnis wurde zu einem Startsignal ­ die schwulen Männer waren begeistert von der deutlichen Sprache des Films und von dem Mut, so offen und provokant Stellung zur eigenen Neigung zu beziehen. Das wollten sie auch. So war die Idee für eine gemeinsame Aktion von Schwulen geboren. Mann traf sich nun unter dem Namen „Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin". Frauen, Transsexuelle und Transvestiten kamen dazu und gemeinsam organisierten sie Veranstaltungen, Gespräche und Parties. Leider versuchten die offiziellen Stellen, dem Treiben ein Ende zu setzen, indem keine Räume bereitgestellt und Werbung verboten wurde. Homosexuelle hielt man für asozial und staatsfeindlich. Charlotte von Mahlsdorf stellte dann die Kellerräume ihres Hauses für die Veranstaltungen des Vereins zur Verfügung. Die Gruppe baute sie aus und schuf so einen Ort, der wie ein zweites Zuhause für die immer größer werdende Gruppe wurde ­ bis man auch von dort vertrieben wurde.

So entstand in den achtziger Jahren die Tradition der Sonntags-Treffen in diversen öffentlichen Räumen unter dem Tarnnamen „Sonntags-Club", denn nur an Sonntagen und unter Verleugnung von Anliegen und Identität war es möglich, einen Raum zu bekommen. 1989 gründete die Gruppe ganz offiziell den Sonntags-Club e.V. als eingetragenen Verein in Räumen in der Rhinower und der Kopenhagener Straße in Prenzlauer Berg. Doch Ende der neunziger Jahre kam man aufgrund eines regen Zuwachses an Gruppen und Veranstaltungen an die Grenzen der räumlichen Kapazitäten. So begann die Suche nach einem neuen Domizil, das sich Anfang 1999 in Gestalt einer alten Bibliothek in der Greifenhagener Str. 28 fand.

Mit viel ehrenamtlichem Engagement wurden die Räume renoviert, umgebaut und für die Zwecke des Sonntags-Clubs hergerichtet. Mit 400 Gästen konnte am 1. Mai 1999 eine große Einweihungsparty gefeiert werden. Seitdem arbeiten im Sonntags-Club Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle zusammen unter einem Dach ­ was nicht immer selbstverständlich ist.

Das Programm des Sonntags-Clubs ist sehr vielfältig und bietet verschiedenen Gruppen einen Treffpunkt. So gibt es ein Einsteigertreffen für SM-Interessierte, den SCHWUSOS-Stammtisch (Schwule in der SPD), die Gruppe 40 Plus (ein Treffen für Schwule über 40), die Gruppe Transmänner & Genderboys, die Gruppe NO ALK, trockene schwule Alkoholiker, den schwulen Freundeskreis Schienenverkehr, die Gruppe TOP 30 (eine Gruppe für Schwule und Lesben um die 30), die ZEIT-SPRUNG-Musiklounge, Vernissagen, Lesungen und Konzerte, den schwullesbischen Jugendtreff bis 26, die Gruppe Mittendrin ­ Schwule und Lesben „mitten im Leben", die verschiedene selbstgestrickte Themenabende, Parties und vieles mehr organisieren. Am 19. Februar wird es z.B. eine Lesung mit dem umstrittenen Historiker Götz Aly geben.

Doch der Kürzungswahn der letzten Jahre hat auch den Sonntags-Club nicht verschont. Bisher hat sich der Club aus den laufenden Einnahmen des Kneipenbetriebs, den Zuwendungen des Landes Berlin und durch ABM-Arbeitsstellen tragen können. Seit die AB-Maßnahmen weggefallen sind, ist jedoch ein stetes Anwachsen der Schulden zu verzeichnen. Die Beantragung von Ein-Euro-Jobs sollte aus der Misere heraushelfen. Aber auch diese wurden abgelehnt. Bleibt die Frage: Wo soll das fehlende Geld aufgetrieben werden?

Für den Sonntags-Club war es schon immer schwierig, mit seinen Anliegen Gehör zu finden. Die Notwendigkeit, Räume für politische Arbeit zur Verfügung zu stellen, wurde vom Staat nicht gesehen. Unterstützung von prominenter Seite zu bekommen, war schwieriger als erwartet. Dieser Hürdenlauf steht dem Club nun wieder bevor, denn wenn er weiter existieren will, muß es einen politischen Willen dafür geben. Und den kann es nur geben, wenn verantwortliche Männer und Frauen von der Notwendigkeit des Clubs überzeugt werden. Bis dahin werden einmal im Monat Spendenparties stattfinden.

Inett Kleinmichel

* Spenden an den Sonntags-Club e.V.: Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 10020500, Konto-Nr. 3247104

* Sonntags-Club, Greifenhagener Str. 28, Prenzlauer Berg, geöffnet Mo bis Fr von 17 bis 1 Uhr, fon: 4497590, netz: www.sonntags-club.de

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