Ausgabe 10 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Senat verhindert Rettung des Stadtbads

Das war's also. Das Stadtbad in der Oderberger Straße wird auch 18 Jahre nach seiner Schließung nicht saniert. Am 1. November verkündete Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die Förderabsage an die aus einer Bürgerinitiative hervorgegangene Genossenschaft, die das marode Gebäude wieder seiner eigentlichen Bestimmung zuführen wollte.

Vor drei Jahren hatte die Genossenschaft das denkmalgeschützte Stadtbad gekauft. In Absprache mit dem Senat entwickelte man ein Finanzierungskonzept für die Sanierung, welches vorsah, daß 72 Prozent der 18 Millionen Euro Baukosten privat, d.h. durch die Genossenschaft, finanziert werden sollten, der Rest durch das Land Berlin. Entsprechend wurden fünf Millionen Euro beim Senat beantragt.

Monatelang blockierten die Stadtentwicklungssenatorin und führende SPD-Politiker die Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel für das Projekt, obwohl das aus einem EU-Fonds stammende Geld längst abrufbar gewesen wäre. Die Genossenschaftler wurden hingehalten und waren kurz davor aufzugeben, bis sich Ende August ­ mitten im Wahlkampf ­ Wolfgang Thierse, der SPD-Direktkandidat für Pankow, einschaltete. Daraufhin bewilligte der Senat endlich das Geld. Thierses Parteifreunde waren wohl zu der Ansicht gekommen, daß diese Entscheidung ihrem Kandidaten noch ein paar zusätzliche Stimmen in seinem Wahlkreis bringen könnte. Allerdings ließen die mit der Förderzusage verbundenen Auflagen, bis zum 31. Oktober, also innerhalb von gerade mal zwei Monaten, ein „abgeschlossenes Finanzierungskonzept" und eine „Fertigstellungsbürgschaft" vorzulegen, nicht nur den baupolitischen Sprecher der Linkspartei Michail Nelken an der Ernsthaftigkeit dieser Entscheidung zweifeln: „Die Folgen des monatelangen Aussitzens durch einzelne Landespolitiker wurden der Genossenschaft angelastet." Es war vorauszusehen, daß die Stadtbadgenossen ­ nicht imstande, die noch fehlenden vier Millionen Eigenkapital mal eben aus dem Hut zu zaubern ­ scheitern würden. So kam es, und Senatorin Junge-Reyer konnte die Zusage leichterhand als hinfällig erklären.

Aber der Senat gibt den Genossenschaftlern nicht nur nicht das lange versprochene Geld, sondern läßt diese nun vollends auflaufen. Nach dem offensichtlichen Scheitern ihres Projekts wollen die Genossenschaftsmitglieder das Gebäude an das Land Berlin zurückverkaufen, da sie nicht vorhaben, von Stadtbadrettern zu Eventmanagern zu mutieren. Zwar hat das Land laut Vertrag ein Vorkaufsrecht, falls das Bad nicht bis 2007 saniert wird, es gibt aber keine Kaufverpflichtung. Und das Land zeigt auch kein Interesse, das Gebäude wieder in eigene Verantwortung zu nehmen. „Das Stadtbad gehört der Genossenschaft. So einfach ist das. Ich sehe keinen Grund, warum das Gebäude an den Liegenschaftsfonds fallen sollte", sagt die Sprecherin der Stadtentwicklungssenatorin. Genau, so einfach ist das: Jetzt haben die Genossenschaftler ein vor sich hinbröckelndes Haus, mit dem sie nichts anfangen können. Gut vorstellbar, daß die Mitarbeiter der Senatsverwaltung ausgiebig feiern ob des prächtigen Streiches, den sie den Genossenschaftlern gespielt haben: „Ätschbätsch, reingelegt!"

Wenn angesichts der Vorgänge um das Stadtbad Politiker noch immer mehr Eigenverantwortung von den Bürgern fordern, erscheint einem das eigentlich nur noch als dreiste Unverschämtheit.

Gertrude Schildbach

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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