Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurzkultur

kriegsschaden

Erstmals in Deutschland zu sehen sind derzeit Bilder der Fotografin Grete Popper. Die Mährische Galerie Brno kam durch glückliche Umstände zu einem Teilnachlaß der 1976 verstorbenen Künstlerin und stellt jetzt erstmalig ihr Lebenswerk vor ­ auch in einem ansprechenden Katalog. Grete Popper war eine der wenigen Frauen in der tschechoslowakischen Fotografie der dreißiger Jahre. Sie gehörte der British Royal Photographic Society London und dem Klub deutscher Amateurphotographen an. Ja, sie war eine von Profis respektierte Amateurfotografin und entfaltete eine internationale Publikationstätigkeit. Geschätzt waren ihr großes handwerkliches Können und ihre moderne, abstrakte, von Licht- und Schatteneffekten geprägte Bildsprache. Popper beschickte zwischen 1932 und 1939 über 80 Ausstellungen in aller Welt und erntete etliche Auszeichnungen. Erst seit wenigen Jahren ist die deutsche Kulturszene im Prag der Zwischenkriegszeit eingehender erforscht worden; und Grete Popper ist die einzige bisher bekannte Fotografin jener Epoche.

* „Grete Popper 1897-1976. Fotografien der 1930er Jahre aus der Tschechoslowakei", noch bis zum 30. Oktober im Verborgenen Museum, Schlüterstr. 70, Charlottenburg, Do und Fr 15 bis 19 Uhr, Sa und So 12 bis 16 Uhr

gehörschaden

Der Festsaal Kreuzberg hat sich inzwischen zu einem spannenden Ort für Konzerte jenseits des Mainstream entwickelt. Und so paßt es ganz gut, daß Jens Friebe hier sein neues Album In Hypnose vorstellt. Irgendwo zwischen Schlager und Avantgarde-Pop entzieht sich Friebe mit seiner Band weitgehend den gängigen Zuordnungen und Vereinnahmungen. Das ist um so angenehmer, da momentan ja alles, was deutsch singt, sofort als weiterer Beleg für den angesagten Pop-Standort Germany abgefeiert wird. Mit von der Partie sind Britta, ebenfalls aus Berlin und allein schon wegen ihrer selbstironischen Texte hörens- bzw. sehenswert.

* Jens Friebe und Britta am 4. Oktober um 21 Uhr im Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130, Eintritt 10 Euro (im Vorverkauf 8 Euro)

personenschaden

Freien Theaterschaffenden will unser Nachbar, das Orphtheater, eine Chance bieten. Dort sucht man Theaterleute, die im Jahr 2006 eigenständige Konzepte realisieren und auf der Bühne des Orphtheaters zur Aufführung bringen möchten. Ziel ist eine Zusammenarbeit mit Interessierten, die sich im Laufe ihrer Produktion auf eine Diskussion mit dem Team einlassen möchten. Das Orphtheater bietet außerdem Unterstützung in Sachen Dramaturgie, Technik und Organisation an. Entwürfe, Ideen, Selbstdarstellungen und Konzepte können Theaterbegeisterte an die Adresse orph@arcor.de schicken. Und vielleicht gehören sie dann ja zu den Auserwählten, die sich nächstes Jahr in der Ackerstraße produzieren dürfen.

* Orphtheater, Ackerstr. 169/70, 10115 Berlin, www.orphtheater.de.

blechschaden

scheinschlag-Autor „Mastermindchaos" Micha Welskopf lädt zu einem Saufgelage mit Livemusik, DJs, Lesung, Vokü und Feuershow als Soliparty. Denn sein Black Cab, das er sich aus England mitgebracht hat, ist nach einem Crash arg ramponiert ­ und war nicht versichert. Auf der Party gibt's Bier ab 1,40 Euro, der Eintritt kostet 3 Euro. Wer keinen Eintritt bezahlen will, kann auch eine Wodkaflasche mitbringen. Auch wenn wir nicht fürs Autofahren sind, wünschen wir dennoch eine erfolgreiche
Benefiznacht!

* „Cabcrash. Allstylezparty", am 7. Oktober in der Donnerstagsbar, Pettenkoferstr. 4c, Friedrichshain

haltungsschaden

Fast nichts ist der Titel der neuen Ausstellung der Flick Collection ­ Herr Flick hat auch Minimal Art im Angebot. Am Eröffnungsabend Ende September fuhr die Kunstschickeria der Hauptstadt am Hamburger Bahnhof vor, um Geschäftskontakte zu pflegen und gesehen zu werden. Das cleane Bild des Museums und seiner Gäste wurde aber von einer Gruppe Kunst- und Kulturschaffender gestört, die sich nicht damit abfinden wollen, daß die Präsentation der mit dem schmutzigen Flick-Geld zusammengekauften Kunstwerke zur „Normalität" der Berliner Republik zählen soll: Sie verteilten erdnußförmige Flyer: „Fast nichts" sei die Spende Flicks in den Entschädigungsfond angesichts seiner Weigerung, wirklich einzuzahlen und die Schuld zu bekennen und des Profits aus der Schinderei von 50000 Zwangsarbeitern. Die Autoren des Flugblatts bestehen darauf: „Es geht immer noch darum, daß die Flick Collection geschlossen wird." Die Eröffnungsgäste zertraten Erdnüsse, bald sah es aus wie in einem Saustall.

* www.flickconnection.de

bombenschaden

In der AktionsBank werden „Transaktionen" zwischen darstellender und bildender Kunst gepflegt. Im Oktober inszeniert die Regisseurin und Malerin Susanne Husemann das Stück Frauen. Krieg. Terror über Selbstmordattentäterinnen in Tschetschenien und zeigt zeitgleich dazu Malerei. Der Theaterabend, der auf Recherchen Husemanns und verschiedensten Textquellen basiert, widmet sich der Frage, welche Lebensgeschichten hinter den Schreckensmeldungen aus dem Kaukasus stehen: „Welche Gesichter entdecken wir hinter namenlosen Attentäterinnen, von denen für uns scheinbar nichts kenntlich ist als der Schatten des Schreckens und der Ohnmacht?"

* „Frauen. Krieg. Terror" von Susanne Husemann, vom 5. bis 9. und vom 12. bis 16. Oktober um 20 Uhr in der AktionsBank, Chaussestr. 128, Mitte

dachschaden

Der Staat ist bekanntlich erfinderisch, wenn es darum geht, mittellosen Bürgern nicht vorhandenes Geld aus der Tasche zu ziehen. Jüngste Berliner Posse: Die „Agentur für Arbeit", also das Arbeitsamt Tempelhof-Schöneberg, hatte sich nicht entblödet, zwei zusammenlebenden Künstlern das Arbeitslosengeld II mit der Begründung zu streichen, diese verfügten mit ihren selbstgeschaffenen Kunstwerken ja über „verwertbares und einzusetzendes Vermögen". Doch keine Sorge: Das Sozialgericht hat dem Unfug ein Ende bereitet. Der Berufsverband bildender Künstler fordert nun klare Richtlinien für die Bürokraten im Umgang mit Künstlern.

frostschaden

100 Jahre Norwegen? Ja, die skandinavische Monarchie ist erst seit 1905 ein selbständiger Staat. Eine eigenständige norwegische Filmgeschichte reicht zurück bis in die Frühzeit des Kinos. Von Stummfilmen aus dem Jahr 1907 bis in die unmittelbare Gegenwart kann man sich nun im Kellerkino Arsenal einen guten Überblick über den norwegischen Film verschaffen ­ darunter Raritäten wie Die Braut von Glomdal, die der große Carl Theodor Dreyer 1926 in Norwegen drehte. Aus jüngster Zeit ist beispielsweise Trölosa (Die Treulosen) zu sehen, nach einem Drehbuch von Ingmar Bergman. Oder der Publikumsschlager Heftig og begeisteret (Heftig und begeistert) über einen Chor aus einem Dorf am Polarmeer. Einen Schwerpunkt bilden Verfilmungen von Werken des norwegischen Nobelpreisträgers und Hitler-Fans Knut Hamsun.

* „100 Jahre Norwegen", vom 6. bis 31. Oktober im Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, Tiergarten, www.fdk-berlin.de

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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