Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

musik für die massen

Her mit der Utopie

Obwohl die Platte ...von hinten! heißt, kommt sie als erstes zur Besprechung. Und das auch, weil man sie sofort ins Herz schließt. Das fängt beim Cover an: eine leicht debil-rotzige Zeichnung einer gitarrespielenden Katze. Und so ist auch die Musik: LoFi-Schrammel-Pop-Punk mit charmanten bis albernen Texten. Beim ersten Anhören klingt alles ein wenig übermütig und tendenziell sinnfrei. Das liegt vor allem an der überdrehten kindlichen Stimme von Klaus Cornfeld, die so gut zum Flohmarkt-Elektronik-Equipment von Minki Warhol paßt. Das Tolle an ...von hinten! ist aber, daß die beiden trotz aller dadaistischen Gute-Laune-Naivität um die Abgründe hinter so herrlichen Dingen wie Liebe wissen. So tummeln sich zwischen den weltumarmenden und lebensbejahenden Zeilen eben auch die, die voller Melancholie die Schwere des Lebens beschreiben: „Jetzt wird dir endlich klar/ wie traurig alles war/und ich krieg immer wieder eine rein/wenn ich glaub´/ alles scheint gut zu sein .../was für ein schöner Tag zum Baden gehen".

Da alles so gut zusammenpaßt, ist es kein Wunder, daß ...von hinten! auf ZickZack, dem Label von Alfred Hilsberg, erschienen ist ­ da, wo früher auch Blumfeld und FSK veröffentlicht haben. Überhaupt Geschichte: Cornfeld war Sänger bei Throw That Beat (in the Garbagecan), die er in den weit entfernten neunziger Jahren mit Paul J. Greco (Chumbawamba-Bassist) gegründet hatte, und sorgte schon damals für viel Freude.

Ein wenig von diesem leicht unbedarften Schwung hat auch Bernadette La Hengst, die gerade ihre zweite Soloscheibe La Beat (Trikont) veröffentlicht hat. Aber anders als bei Katze geht es bei ihr weniger in Richtung Elektro-Pogo als vielmehr in Richtung elektronisch- tanzbarer Chansons. In ihrem Themenladen sind so große Dinge im Angebot wie: Kollektivismus, Selbstbestimmung, Internationalismus und Kapitalismuskritik. Da man dabei vor lauter Querverweisen leicht die Orientierung verlieren könnte, gibt es als Booklet einen kleinen Stadtplan, in dem neben geo- und biographischen auch politische Eckdaten markiert sind. Das hilft zwar weder bei der Selbst- noch bei der popkulturellen Diskursverortung, liefert aber zumindest einen passablen Überblick und ist außerdem bunt und schön anzuschauen. Manchmal kommt es dann auch richtig dick, und in einem Song wie „Her mit der Utopie" überschlägt sich die Political Correctness. Da La Beat ansonsten aber ohne Polit-Parolen und Plattitüden auskommt, sondern originell argumentiert, wird es nie wirklich peinlich. Und wem das immer noch nicht reicht: Musikalisch ist das ganze Album zwischen Funk, HipHop und DancePop auf soliden elektronischen Beats sowieso weit vorne.

Marcus Peter

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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