Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Ménage à trois in Moskau

Noch vor zehn Jahren hätte wohl kaum jemand in Rußland einen Film mit homosexueller Thematik sehen wollen, geschweige denn drehen. Man sprach offiziell kaum darüber, nur hinter vorgehaltener Hand. Daß sich in den letzten Jahren einiges verändert haben muß, zeigt der Film You I Love (Ja ljublju tebja) von Dmitri Troitski und Olga Stolpowskaja, der so nebenbei auch etwas über das gewandelte Rußland, genauer: das schicke Moskau erzählt.

Vera und Timofej sind das perfekte Hochglanzpaar. Sie ist Fernsehmoderatorin, er arbeitet in einer angesagten Werbeagentur. Sie sind jung, erfolgreich, sehen gut aus und genießen das Moskauer Großstadtleben. Es könnte alles so schön sein. Aber die Beziehung dümpelt nach nur einem Jahr vor sich hin. Irgendetwas fehlt – nur was? Das klärt sich ganz schnell, als eines Tages der junge Mongole Uulomi Timofej vor die Motorhaube läuft. Tim nimmt ihn nicht nur mit nach Hause, sondern verliebt sich Hals über Kopf in den naiven Naturburschen, der seine Gefühle erwidert und gar kein Problem darin sieht, einen Mann zu lieben. Vera hingegen ist alles andere als glücklich über diese Verbindung, zumal Tim sich nicht zwischen ihr und dem Naturburschen entscheiden kann. Wenn sie Tim nicht verlieren will, muß sie sich mit der Situation arrangieren, was auch gelingt. Und wieder könnte alles so schön sein in der perfekten Ménage à trois. Aber als plötzlich Uulomis mongolische Familie vor der Tür steht, wird es noch einmal schwierig.

Der Film erzählt die Geschichte in gut ausgeleuchteten, schön inszenierten Bildern, die in jeder anderen Metropole der Welt zu realisieren gewesen wären. Das ist nämlich die unterschwellige Botschaft des Films: Moskau ist wie der Westen und genauso groovy. Ebenso wie der Plot, der in jeder anderen Großstadt angesiedelt sein könnte. Daher dürfte auch der Erfolg des Films bei internationalen Festivals rühren und nicht von der Tatsache, wohl der erste russische Mainstream-Film mit einem schwulen Thema zu sein. Man amüsiert sich prächtig. Hoffentlich gibt es kein kitschiges amerikanisches Remake.

ib

* „You I Love" läuft bis zum 5. 10. im Xenon, Schöneberg, und bis zum 11.10. im Krokodil, Prenzlauer Berg

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