Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Gefährdetes Denkmal?

Die Synagoge im Hinterhof der Brunnenstraße 33 wird umgenutzt und umgebaut

Zunächst hatte alles nach einem guten Ende einer an Wirrungen reichen Geschichte ausgesehen: Eine lange vergessene Synagoge, versteckt in einem Hinterhof, 1938 verwüstet, aber nicht zerstört, wird endlich in ihrem bauhistorischen Wert erkannt, unter Denkmalschutz gestellt, und nun soll sogar wieder jüdisches Leben einziehen in die jahrzehntelang zweckentfremdeten, seit über zehn Jahren leerstehenden Räume.

Nun will die Ronald S. Lauder Foundation in der Brunnenstraße 33 eine Talmud-Thora-Schule einrichten, eine Rabbiner-Ausbildungsstätte für junge Männer als Internatsbetrieb. Eine solche Jeschiwat existiert bereits in der Rykestraße und ist inzwischen zu klein geworden. So weit, so gut. Doch die Sache hat einen Haken: Die Umbaupläne, die eine Nutzung der Synagoge u.a. als Speisesaal vorsehen, nehmen auf die historische Bausubstanz zu wenig Rücksicht. Obwohl es noch keine offizielle Genehmigung dafür gibt, wurde bereits mit Baumaßnahmen auf dem Gelände begonnen, ein Anbau teilweise abgebrochen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat den Änderungen der erst 2002 festgeschriebenen Sanierungsziele, Voraussetzung für das Projekt „Jeschiwat Beth Zion", kürzlich noch nicht zugestimmt und weiteren Klärungsbedarf angemeldet, eine Informationsveranstaltung machte die Pläne erst am 12. September en détail bekannt. Die Betroffenenvertretung Rosenthaler Vorstadt will nun auf einen sensibleren Umgang mit dem Denkmal dringen.

Auf die Synagoge im Hinterhof weist nur eine Tafel am Vorderhaus hin, am „Tag des offenen Denkmals" vor einem Jahr konnte man sie besichtigen, vor zwei Jahren gab es dort Veranstaltungen der Jüdischen Kulturtage. Eingeweiht wurde das jüdische Gotteshaus 1910, das der bereits seit 1879 in der Brunnenstraße ansässige Verein Beth Zion errichten hatte lassen. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde zwar der Innenraum der Synagoge zerstört, das Gebäude zündeten die Nazihorden jedoch nicht an, weil sie befürchteten, das Feuer könnte auch auf die umliegenden Häuser übergreifen. Während der letzte Rabbiner Jecheskel Landau mit seiner Familie flüchtet, wird der Raum als Lager genutzt. Da es auch den Krieg unbeschadet übersteht, darf das Bauwerk heute als die letzte erhaltene Privatsynagoge in Berlin gelten. Die Nutzung als Lager geht in der DDR weiter, seit 1992 steht das Gebäude leer.

Der Initiative von Anwohnern ist es zu verdanken, daß die Synagoge Anfang der neunziger Jahre der Vergessenheit entrissen, 1995 schließlich unter Denkmalschutz gestellt wird. 2001/02 finden im Auftrag des Bezirksamts Mitte restauratorische Untersuchungen statt. 2002 schließlich werden Sanierungsziele festgelegt, die dem jüdischen Arzt Roman Skoblo, der den Gebäudekomplex im selben Jahr kaufte und jetzt mit Hilfe der Lauder Foundation umbauen will, bekannt waren. In den Sanierungszielen heißt es u.a., der Synagogensaal solle von seinen Einbauten befreit und in seine ursprüngliche Raumfassung zurückversetzt werden. An dem langfristigen Ziel der Wiederherstellung der historischen Raumstruktur der Synagoge werde auch festgehalten, wenn diese sich kurzfristig nicht durchführen lasse.

Und hier setzt die Kritik der Betroffenenvertretung Rosenthaler Vorstadt ein, die eine Zerstörung des Synagogenraums, wo in den letzten Jahren bauliche Details mühsam freigelegt und Einbauten beseitigt worden waren, durch die geplanten neuen Einbauten befürchtet. Geplant ist etwa der Abbruch der Säulen unter der erhaltenen Frauenempore und des kompletten Funktionsanbaus. Sabine Krusen von der Betroffenenvertretung, die ausdrücklich betont, die neue Nutzung des Gebäudes zu begrüßen, wirft den Bauherren vor, kein Konzept für den Umgang mit dem Baudenkmal zu haben. Ein Kompromiß könnte ihrer Meinung nach so aussehen, daß die Säulen erhalten bleiben und die Zwischendecke und alle anderen Einbauten grundsätzlich reversibel gestaltet werden, um das langfristige Ziel der Wiederherstellung nicht preisgeben zu müssen. Indes läuft allen Beteiligten die Zeit davon. Der Schulbetrieb in der Brunnenstraße 33 soll schon im Frühjahr 2006 beginnen, die BVV muß spätestens Anfang Oktober zu einer Entscheidung kommen. Eine schwierige Gemengelage in Zeiten, in denen es keine Politiker mehr gibt, die Investoren ­ Denkmalschutz hin oder her ­ Wünsche abschlagen können.

Peter Stirner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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