Ausgabe 8 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Noch ein Nobelhotel für die Pleite-Stadt

Der Luxushotel-Bauboom in Berlin hält an, obwohl schon jetzt die hiesigen Vier- und Fünf-Sterne-Häuser gerade mal zur Hälfte ausgelastet sind. Ende September feierte der Regierende Bürgermeister Wowereit mit den Granden der Hotelgruppe Sir Rocco Forte, unter ihnen der Namensgeber des Unternehmens selbst, Richtfest für das am Bebelplatz entstehende Hotel de Rome – ein weiteres Etablissement der „Spitzenklasse"; unter dieser Bezeichnung dienen sich bereits heute 19 Hotels dem Schlafsuchenden an.

Wowereit sagte während der Feierlichkeiten, er rechne damit, daß das Hotel erfolgreich sein werde. Woher der große Seher aus dem Roten Rathaus seine Gewißheit nimmt, bleibt für uns, die wir mit weniger magischen Kräften ausgestattet sind, natürlich im Unklaren: Vor einem Jahr scheiterte das Four- Seasons-Hotel, die Luxushotelbetten sind in Berlin, verglichen mit anderen europäischen Großstädten, zu Dumpingpreisen zu haben (im Schnitt sind sie etwa um die Hälfte billiger als in London), das Estrel Hotel verzichtet auf einen Neubau, die Fundus-Gruppe hat ihr Tacheles-Hotel-Projekt mittlerweile auf Eis gelegt.

Weitere Nobelschlafstätten eröffnen in den nächsten Monaten: das Fünf-Sterne-Concorde an der Ecke Augsburger/Joachimsthaler Straße und das Vier-Sterne-Wallstreet Park Plaza in den Wallhöfen. Nicht wenige der Luxushoteliers befürchten einen neuen Preiskrieg. Eine Situation, die eigentlich auch die Pläne für ein an den Schloßneubau gepapptes Nobelhotel (s. dazu Seite 5) zur Makulatur werden lassen müßte ­ doch wer hätte sich bei den allseits waltenden Utopisten und Sehern in der Pleite-Stadt Berlin schon einmal an die nüchternen Fakten der umfassenden Misere gehalten?

Wir plädieren im Übrigen für die Errichtung weiterer Prachthotels und darauffolgenden Preiskrieg ­ auf daß die edlen Schuppen irgendwann zu Notunterkünften für Obdachlose werden.

Gertrude Schildbach

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 8 - 2005 © scheinschlag 2005