Ausgabe 7 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Monsanto jagt nach Frankensteins Formeln

Wenn Nahrung zur strategischen Waffe wird

Eine Entschärfung von Umweltproblemen mit Hilfe von Designer-Pflanzen muß angegangen werden.

(Karsten Jonas: Chancen und Risiken, Examensarbeit im Fach Geographie, Lehramt an der Oberstufe ­ Allgemeinbildende Schulen, 13.1.2000, Quelle: genwirtschaft.de)

Die Politik der größten Agrochemiekonzerne wie Syngeta (Schweiz), Bayer, BASF (Deutschland), DuPont (Frankreich) oder die wegen diverser Gendreck-weg-Aktionen zuletzt in die Schlagzeilen geratene Firma Monsanto (USA) zielt auf Gewinnmaximierung durch die Bereitstellung und den Verkauf veredelter Getreide- und Gemüsepflanzen, sogenanntem Novel Food. Ihr Versprechen dabei: die Welternährungsprobleme wie die Umweltgefahren durch Pflanzenschutzmittel zu minimieren. Dabei entstehen Widersprüche, die die Glaubwürdigkeit solcher Heilsversprechen unterminieren. So sollen Patente auf die gentechnischen Eingriffe die freie Nutzung der Produkte einschränken. Getreide wird dahingehend verändert, daß die Pflanze bestimmte Schädlingsgifte gut verträgt. Und diese Gifte verkaufen die „Saatgut-Erfinder" im Paket gleich mit.

Wissenschaftlich gesehen bleibt nicht mehr viel übrig vom ursprünglichen Organismus einer Pflanze ­ außer ihrem äußeren Schein ­, die in ihrem genetischen Aufbau verändert, neu „designed" wird. Sie wird zu einem sogenannten GVO; das ist ein „Genetisch veränderter Organismus". Mit GVOs schafft der Mensch Pflanzen, die machen, was er wünscht. GVOs sind in der Lage, selbständig Insektengifte zu produzieren. Sie können gegen bestimmte Antibiotika resistent gemacht werden, über Vitamin-, Aids- oder Krebs-Präparate theoretisch viele Sorten Pharmazeutika synthetisieren.

Die verschiedenen Gentechnik-Projekte geben sich humanitäre Anstriche, wie z.B. www.forschung-leben.ch. Mit der „Untersuchung zur Steuerung der Öffnung und Schließung der Spaltöffnungen auf der Blattoberfläche" befaßte sich Prof. E. Martinoia im Juni 2005. Ziel war dabei, Pflanzen dergestalt genetisch umzufunktionieren, daß sie an Umweltgegebenheiten wie Hitze oder Trockenheit adaptiert sind. Solch harmlos klingende Veränderungen sollten kritisch betrachtet werden. So könnten durchaus geo-klimatische Prozesse angestoßen werden, die sich der menschlichen Steuerung entziehen.

Haben Sie noch wissenschaftliche Fragen? Die hatte z.B. Dr. Arpad Pusztai, ein schottischer Experte für die Langzeitwirkung von Gen-Kartoffeln im Darm von Laborratten sehr wohl. Er gab 1999 gegenüber der Presse unverblümt zu, er würde lieber natürliche Speisen essen, da er selbst in Versuchen herausgefunden hatte, daß die Organe seiner Laborratten zu schrumpfen begannen, nachdem sie Kartoffeln mit dem eingebauten Schädlingsgift Lektin (ein Wirkstoff aus Schneeglöckchen) zu fressen bekommen hatten. Er verlor schnell seine Anerkennung als Weltexperte für Gentechnik. Pusztai wurde sofort von Labor und Arbeit getrennt, danach unfreiwillig zum Chairman vieler Gentechnik-Kritiker und Gruppierungen ­ neuerdings soll er auch die Bundesregierung beraten haben.

Dennoch sind Zweifel an der Professionalität der Grünen im Umweltressort anzumelden. Es wurde deutlich zu viel zugelassen. So sind GVOs über Futtermittel in den Nahrungskreislauf gelangt. Jede vernünftige Kennzeichnung auf Lebensmitteln wurde zur Makulatur, da tierische Produkte generell als unbelastet gelten dürfen, selbst wenn die Tiere mit genmanipuliertem Futter gemästet wurden. Der Wahl-Slogan „Verbraucherschutz ist wählbar!", eine paradoxe Zurückweisung des Wähler-Mandats, karikiert treffend die Geisteshaltung der „Umweltpartei". Diese läßt zu, daß Konzerne wie Monsanto Klage gegen zuständige Bundesbehörden einreichen, um großflächige Aussaaten ihrer neu-kreierten GVOs in Deutschland zu erzwingen. Die Ministerin Künast kann offenbar nichts dagegen tun. Im Gegenteil, sie lockert die Transparenz über die Ausbringungsorte von GVOs (http://194.95.226.234/cgi/lasso/abr/standorte.lasso). Offenbar fühlt man sich mit den Aktivisten (z.B. gendreck-weg.de), die das Heil darin sehen, diese „Pflanzen" zu vernichten, so sehr verbunden, daß man aus Fürsorge die Erkennbarkeit der Versuchsfelder erschwert. Von dort aus verbreiten sich die GVOs ungehindert in der Natur ­ über Pollenflug und Insekten ­, kreuzen sich mit natürlichen Arten. Verbal krempelt die Ministerin aber die Ärmel hoch: „Ich möchte dazu beitragen, die lebensnotwendige biologische Vielfalt für unsere Kinder und Kindeskinder zu erhalten und besser zu nutzen. Es gibt hier noch eine Menge zu tun."

Das stimmt. Regierungen brauchen Nachhilfe. Wegen der Nichtumsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie für GVOs läuft gegen die BRD ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Es drohen Strafen von bis zu 725000 Euro (pro Tag). Gilles-Eric Seralini von der französischen Kommission für die Risikobewertung von Gen-Pflanzen sagt: „Die Sicherheitsstandards bei EU-Zulassungsverfahren für genmanipulierte Pflanzen sind generell unzureichend." Was können Bürger tun, wenn ihre Abgeordneten in Fragen des Verbraucherschutzes Mißstände nur diagnostizieren? Man muß bangen, wenn man hier auf Aufklärung hofft, wie ein Besuch der Info-Seite transgen.de bestätigt. Dort stieß ich auch auf jene obengenannte Geschichte über den Forscher Dr. Pusztai. Hätte ich keine anderen Quellen gehabt, so würde ich womöglich diese an Harmlosigkeit nicht zu übertreffende Version glauben. Zitat: „Verwirrung um die Ergebnisse. Es blieb widersprüchlich, was Pusztai tatsächlich herausgefunden hat." Zudem wird diese „Infoseite" noch unverhohlen von Firmen wie Monsanto und Bayer sowie diversen Forschungs- und Lobby-Verbänden finanziell gefördert. Allzugroße Sorgen der Menschen werden hier fachkundig von umweltpolitischen Spezialisten (verantwortlicher Redakteur ist Gerd Spelsberg, MdB, B90/DieGrünen) zerstreut.

In der Schweiz gibt es ein ähnlich tendenziöses, staatsnahes Internetforum (gensuisse.ch). Dort wird Pusztai sogar ganz offen zum Idioten gestempelt. transgen.de setzt dagegen konsequent auf Verharmlosung. Die FAQ (häufig gestellte Frage) „Ist in der Milch nachweisbar, ob die Kühe mit gentechnisch verändertem Futter ernährt wurden?" wird dort so beantwortet: „Trotz intensiver Suche ist es bis heute nicht gelungen, veränderte Erbsubstanz in der Milch zu finden." Andere Quellen, wie z.B. das Gen-Ethische Netzwerk e.V. (www.gen-ethisches-netzwerk.de) berichten 2004 allerdings über Studien wie einen (drei Jahre lang zurückgehaltenen!) Untersuchungsbericht des Forschungszentrums für Milch und Lebensmittel (FML) in Weihenstephan (Bayern). Aus ihm geht hervor, „daß in der Milch von Kühen, denen genmanipulierte Futtermittel zu fressen gegeben wurden, Teile der Erbsubstanz, der eingesetzten gentechnisch veränderten Pflanzen zu finden sind".

Auf eine Nachfrage beim deutschen Verbraucher-Ministerium versichert mir Pressesprecher Jochen Heimberg, daß diese Untersuchungen bereits vom FML selbst widerlegt seien. Es gebe keinerlei Untersuchungen, die die Verdachtsmomente erhärteten. Verdachtsmomente?! Danach hatte ich doch gar nicht gefragt. Es folgt noch der Tip: „Auf den Seiten biosicherheit.de und transgen.de finden Sie umfassende Informationen zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen." Und genau diese Inseln der Zerstreuung empfiehlt auch die Junge Union Bayern (Arbeitskreis Umwelt, Landesausschuß-Papier, 18. Juni 2004): „Ein solch transparenter Umgang mit GVO wird langfristig die Akzeptanz der Grünen Gentechnik (Gentechnik in der Landwirtschaft, Anm. J. G.) steigern. Im Sinne der Stärkung des Standortes Deutschland und des Nutzens für die Verbraucher dürfen wir diese großen Chancen der Gentechnologie nicht ungenutzt lassen. Sehr gute Informationsquellen zum Thema sind: transgen.de und biosicherheit.de, oder stmugv.bayern.de". Man muß wohl die CDU-treuen bayerischen Landwirte sehr behutsam an die Kategorie Bio-Sicherheit heranführen.

Wenn es auch einige Skepsis gegenüber der Strategie von Aktivisten gibt, die direkt gegen GVO-Felder vorgegangen sind, sie abgemäht haben, so sind sich die großen Umweltverbände wie BUND, NABU oder Greenpeace doch einig, daß „weder die biologische Vielfalt insgesamt, noch ökologisch sensible Gebiete nach derzeitiger nationaler und europäischer Rechtslage einen ausreichenden Schutz genießen" (gemeinsame Presseerklärung, 14. Juli 2005).

Es geht nicht nur um die (Müller-)Milch. Die Sicherheit unserer Nahrung kann für immer auf dem Spiel stehen. Anders als radioaktive Strahlung werden sich einmal begangene Umcodierungen unserer Nahrung nicht irgendwann in Luft auflösen. Die Fülle des neuen profunden Wissens über die Natur sollte gerade die Fachkundigen davon abhalten, einfach aus Profitgier ins Blaue zu experimentieren, oder schlimmer: politischen Strategien zu dienen. Ein gutes Beispiel ist die Erfindung und Drohung mit der sogenannten „Terminator-Technologie" (auch GURT genannt: genetic use restriction technologies), die verhindert, daß Saatgut in der nächsten Generation keimfähig ist. Die Pflanze bildet, quasi auf „Befehl", ein Gift, das ihre eigenen Samen unfruchtbar macht. Diese sollen mit einem „Gegenbefehl" wieder fruchtbar gemacht werden können. Man erweitert hier gedanklich die Grenzen das Patentrechts, möchte die Nutzung von Saatgut einfach über Verfallsgrenzen beschränken. Die Philosophie dieser Agro-Politik nimmt zunehmend aggressivere Konturen an. Und gerade diese Komponente läßt keine allzu große Akzeptanz dafür aufkommen. Glaubt man Umfragen, sollen beispielsweise 90 Prozent der US-Amerikaner eine Kennzeichnung von Novel Food wünschen. Dort werden ca. 50 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gentechnisch bestellt. Eine Greenpeace-Forderung an den Syngeta-Konzern, Patente fallen zu lassen, machte aber auch die Mitverantwortung der Aktionäre deutlich, da die Antwort lautete: „Die Patentanmeldung auf den Gentech-Reis wird nicht fallengelassen, weil uns unsere Aktionäre dafür nicht dankbar wären."

Jörg Gruneberg

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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