Ausgabe 7 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Street Art im Bethanien

„Street Art entsteht und entwickelt sich auf den Straßen der Städte. An ihren Ausformungen und Verbreitungen scheiden sich die Geister." In derart ausgewogenem Soziologendeutsch wird eine Ausstellung beworben, die besser ist als die Ankündigung. Backjumps – Urbane Kommunikation und Ästhetik ist nicht nur im Inneren des Kunstraumes Bethanien am Mariannenplatz zu sehen. Schon von weitem sieht man am Eingang des ehemaligen Kreuzberger Krankenhauses eine Art Hüttendorf. „City of Name" nennt sich das noch bis 4. September begehbare und auch bewohnte Kunstwerk. Wer in den Feinheiten der Street Art bewandert ist, mag hierin eine „Verräumlichung der Schriftzüge" sehen. Alle andern nehmen es als eine gelungene Abwechslung im langsam öder und eintöniger werdenden Kreuzberger Alltag. Leben und Arbeiten auf der Straße, Abkehr von der Normalität, das war doch schließlich einmal das Markenzeichen des rebellischen Stadtteils. Gelegentlich taucht auf Flugblättern noch die „Freie Republik Kreuzberg" auf. Wird sie inzwischen vielleicht nur noch als temporäres Kunstwerk zur Realität?

Die CDU zumindest hat schon den Feind ausgemacht, der da unter dem Deckmantel der Kunst sein übles Werk betreibt. Ihr kulturpolitischer Sprecher sah in der Bezuschussung der Ausstellung im Bethanien mit 35000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds eine „Aufforderung zum Rechtsbruch". Die Boulevardpresse schloß sich dieser Kampagne an. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) nannte diese Haltung repressiv. Man müsse auch unbequeme Kunst fördern, gab sich der Senator ganz liberal. Diese neue Toleranz verwundert, hat doch Flierls und seiner Genossen Koalitionspartner SPD erst vor wenigen Monaten im Bundestag die allgemeine Kriminalisierung von Graffitikünstlern erleichtert. Bundesinnenminister Schily ließ stolz Graffitisprayer mit Hubschraubern jagen. Das sind die Grenzen der Kunst. Peter Nowak

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