Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Enteignet die Sammler!

Vom Terror der Kunstsammler und ihrer Schwundstufen in Berlin und anderswo – eine Polemik

Peter Ludwig hat Köln seinerzeit ganz schön terrorisiert, immer wieder damit gedroht, sich im Groll zurückzuziehen, wenn nicht alle nach seiner Pfeife tanzten, wenn es nicht wunschgemäß mehr Platz gäbe für sein Museum Ludwig, hat Direktoren nach Gusto einstellen und entlassen lassen. Der eigentliche Direktor war sowieso er. Das hätte anderen Kommunen eine Lehre sein können, war es aber nicht. Allerorten tanzen Sammler Politikern auf der Nase herum, fordern nach ihnen benannte Häuser und sind nicht einmal dazu bereit, ihre Sammlung an die jeweilige Stadt zu schenken, mehr anzubieten als Dauerleihgaben. Sie inszenieren sich als Mäzene und machen sich in Wirklichkeit nur wichtig. In Wien leitet ein Herr Leopold – ein 80jähriger Augenarzt – selbstherrlich das gleichnamige Museum, das die Republik Österreich für ihn errichten durfte, nachdem man ihm seine Sammlung selbstverständlich abgekauft hatte. Wenn das nicht ein Deal ist: sich etwas bezahlen zu lassen, was man dann nicht einmal aus der Hand gibt! Der Gipfel der Sammler-Dreistigkeit ist vorerst wohl der Versuch des Kriegsverbrecher-Sprosses Flick, sich von höchster Stelle seine schmutzige Weste weißwaschen zu lassen, um seine jämmerliche Karriere vergessen zu machen. Die öffentliche Hand darf wieder bauen und zahlen und hat nicht einmal eine Dauerleihgabe und obendrein eine Briefkastenfirma auf den Kanalinseln zum Partner. Er ist nicht einmal davor zurückgeschreckt, sich vom greisen Heinz Berggruen – einer von denen, die Flick Senior und seine Spezis bekanntlich ausmerzen wollten – die Absolution erteilen zu lassen. Bergruen selbst allerdings ist auch die graue Eminenz der gleichnamigen Sammlung, die ihm die Bundesrepublik vergeblich abgekauft hatte. Der Mann wohnt sogar im eigenen Museum.

Bloß Flick ist eigentlich gar kein Sammler, vielmehr dessen perverse Schwundstufe als Kunst-Aufkäufer. Sammler im eigentlichen Sinne sind Leute wie Berggruen und Leopold, die in ihren Anfängen und ohne großes Kapital findig sein mußten, auf die richtigen Namen setzen, die damals noch nicht hoch im Kurs standen, es aber heute tun. Flick hingegen mußte überhaupt kein Risiko eingehen, keinerlei Gespür entwickeln. Er ließ einfach im großen Stil von seinen Galeristen einkaufen, was etabliert, gut und teuer ist, posthum erwischte es sogar Dieter Roth, der dem Mann sicher nie die Hand gegeben hätte. Auf diese Methode kann jeder Lotto-Multimillionär, der eventuell sogar noch weniger von Kunst versteht als Flick, eine respektable Sammlung aufbauen.

Es ist das Elend der bildenden Kunst, daß sie Originale als Fetische in die Welt setzt, mit deren Aufkauf sich wichtigtuerische Investoren in Szene setzen können ­ mit der teuflischen Folgewirkung übrigens, daß auch die meisten Künstler, haben sie das große Geld einmal gewittert, zu neureichen Tunichtguten degenerieren ­ siehe Immendorff, Lüpertz und Konsorten. Und wo der Markt regiert, wird alles gleichförmig. Die Gegenwartskunst-Sammlungen ähneln sich deshalb meist zum Verwechseln. Sicher, einer hat ein Faible für coole Minimal Art, ein anderer für den deutschtümelnden Kitsch eines Anselm Kiefer, einer hat zu viel Pop Art aufgekauft, ein anderer zu viel Junge Wilde-Malerei. Aber wo findet man schon überraschende Namen? Eine der langweiligsten Sammlungen dieser Art dürfte die Sammlung Grothe im Museum Küppersmühle in Duisburg sein, vor wenigen Jahren mit Pomp und Kanzler in einem schick umgebauten Speichergebäude eröffnet. Das „Konzept" der Sammlung ist schnell erläutert: möglichst große Bilder von deutschen Großkünstlern, in erster Linie die Düsseldorfer, und fatalerweise hat der Mann eine Schwäche für Kiefer.

Sind demnächst auch hier flächendeckend amerikanische Verhältnisse etabliert, wenn es so weitergeht? Doch halt: Die USA haben gar nicht so sehr zu leiden unter dem Sammlerterror wie man vielleicht glauben würde. Die großen Kunstmuseen des Landes, vom Art Institute in Chicago bis zur National Gallery in Washington beherbergen eine solche Vielzahl von Schenkungen und Stiftungen, daß einzelne Sammler kaum große Probleme machen können. Ihre Namen sind dezent vermerkt, und der Direktor des Hauses kann mit einer Vielzahl von Sammlungen sinnvoll arbeiten. Einem Flick oder einem Ludwig würde das natürlich nicht reichen.

Peter Stirner

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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