Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Sommer mit Shakespeare

Theater im Tierpark, an der Spree und anderswo

Jedes Jahr dasselbe: Endlich sind die Lebensgeister erwacht, der Mensch hat Lust auf Unternehmungen, möchte sich kulturell umtun und hat auch Zeit dazu, aber die Hochkultur-Produzenten wollen auch mal entspannen und machen Ferien. Die Stunde der Sommertheater hat geschlagen und die des wohl beliebtesten Berliner Sommerautors, nämlich William Shakespeare.

Wo dieser Name fällt, ist das Hexenkessel Hoftheater nicht weit, das in diesem Jahr gleich mit zwei Stücken erfreut. Zunächst wird gezeigt, wie schwer Being Othello ist, ab Ende Juli gibt es auch Viel Lärm um nichts. Der Othello ist natürlich in gewohnt herrlich abgestaubter Manier inszeniert und diesmal zeitgemäß adaptiert. Denn unser Hauptheld ist ein amerikanischer General irgendwo im Irak und noch nicht einmal schwarz, sondern einfach nur ein Emporkömmling mit weiß gefärbtem Haupthaar, der sich in bessere Armee-Adelskreise hineingeheiratet hat. Passend zum Schauplatz Wüste agieren die Figuren vor einer cremefarbenen Bühne, die mit Tarnnetzen sogar den abschweifenden Blick zum Museumsinsel-Horizont verwehrt. So ist die volle Konzentration auf das Schlachtfeld der verletzten Eitelkeiten garantiert, die nicht einmal das Gelächter der Strandbar gegenüber stören kann. Natürlich wird in Being Othello stückgerecht intrigiert, was das Zeug hält. Es wird aber auch gesungen, getanzt, gerapt, gesoffen und gerauft. Und natürlich gespielt ­ nämlich Schach mit den Figuren. Das Heft in der Hand hat Jago mit wunderbar schurkischem Witz, der die eigentliche Hauptperson in dieser Inszenierung ist. Kurz: Es wird was geboten für´s Geld, auch wenn der Regen mitunter einen Strich durch die Rechnung machen kann.

Hinzugekommen zum Sommeramüsement ist das Shake-Zelt am Ostbahnhof. Einst einem gewissen Circus Humberto zugehörig, bietet es nun eine feste Spielstätte für die ­ da ist er wieder ­ Shakespeare Company Berlin, aber auch für die umtriebige Truppe von Theatersport. Direkt gegenüber dem Ostbahnhof, zwischen Yaam und Oststrand günstig gelegen, kann man sich ebenfalls an modernisiertem Shakespeare erfreuen, nur eben wetterfest. Zum Beispiel an Hamlet oder Wie es Euch gefällt. Was vorher unter freiem Himmel ­ da hat die Truppe angefangen ­ schon gut funktionierte, erfreut auch drinnen das Publikum. Derbe Scherze und Anspielungen auf kommunalpolitische Besonderheiten würzen die burleske Inszenierung des Verwirrspiels mit Hosenrolle. Jeden Montag gibt es Improvisationstheater mit Theatersport. Hinzu kommen noch Gastspiele und Konzerte. Davor, dazwischen und danach kann bei schönem Wetter der angeschlossene Biergarten genossen werden, während von Ferne gemächliche Karibik-Rhythmen aus dem Yaam herüberwehen und die Spree vor sich hin schwappt.

Als absolutes Kontrastprogramm sei ein Besuch im Tierpark empfohlen. Da gibt es nicht nur vollkommen natürlich agierende Tierdarsteller auf Felsen- oder anderen Gehegebühnen zu sehen. Vom 16. bis 19. Juli gibt es dort auch eine Menge echtes Theater. Das geht auf das Konto der seit Anfang Mai stattfindenden Aktion Kunstgehege, einem lose zusammenhängenden Kollektiv aus bildenden und darstellenden Künstlern, die im Rahmen der 50-Jahr-Feier des Tierparks Friedrichsfelde das ehemalige Café Pony Pedro wiederbeleben darf. Es gibt hier Ausstellungen zu bewundern, Workshops für Jugendliche aus Lichtenberg werden durchgeführt, fast jedes Wochenende treten Bands auf, das Ganze noch bis Ende Juli. Und bevor alles vorbei ist, wird noch einmal richtig in die vollen gegangen mit Bands, DJs und eben Theaterperformances unterschiedlichster Couleur. Dabei wird nicht nur die kleine Bühne am Pony Pedro bespielt, sondern auch an anderen Orten des großen Tierparkareals sollen Vorstellungen stattfinden, ebenso eine Modenschau, gleich neben dem Streichelzoo. Schon am Nachmittag können sich die lieben Kleinen am Puppentheater der schrägen Art erfreuen. Die Truppe Helmi lädt Kinder und Erwachsene zum Traum des Säbelzahntigers ein und das Jugendtheater der Volksbühne zum Plattenspiel, bei dem es um Platten und Spatzen geht oder auch ums schwierige Teenager-Dasein. Die älteren Semester können sich am Abend entweder die fiktive Geschichte der „DDR-Countrylegende" Rockin´Rose („rosenrot ­ eine Zerfleischung") erzählen lassen oder doch lieber den adaptierten Bericht an eine Akademie ­ peter ­ ganz weit draussen ­ stilecht vor einem Affengehege? Dazu kommen noch eine Puppentalkshow über das bewegende Thema Die Zeitreise der Wanze und andere Lustbarkeiten wie zum Beispiel das Anlegen einer Ameisenfutterstraße. Danach gibt es jeden Abend Musik zum Feiern und Tanzen verschiedenster Kapellen und Schallplattenunterhalter. Und den Tierpark bei Nacht inklusive.

Ingrid Beerbaum

* Hexenkessel Hoftheater am Monbijoupark, www.hexenkessel-hoftheater.de

* Shake – das Zelt am Ostbahnhof, Mühlenstraße/Ecke Straße der Pariser Kommune, www.shake-berlin.de

* Kunstgehege im Pony Pedro, Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, www.kunstgehege.de

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
Ausgabe 6 - 2005 © scheinschlag 2005