Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kurzkultur

direkt

Der politische Film war immer schon ein Sammlungsschwerpunkt der Freunde der Deutschen Kinemathek. In der ersten Julihälfte kann man nun in fünf Programmen, die Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme aus den Jahren 1926 bis 1994 jeweils thematisch bündeln, politische Filme in großer Vielfalt und auch Disparatheit erleben. So befassen sich die Filme im Programm zum Thema „Abbildungsverhältnisse" kritisch mit dem filmischen Umgang mit der sogenannten Wirklichkeit ­ etwa Perfect Film von Ken Jacobs oder Rohfilm von Wilhelm und Birgit Hein ­, während unter dem Titel „Radikale Körper" Filme gezeigt werden, die sich aus feministischer oder emanzipatorisch-schwuler Perspektive an Sexualtabus abarbeiten. In diesem Programm läuft der schwule Underground-Klassiker Scorpio Rising von Kenneth Anger. In der Abteilung „Aufklärung und Widerstand" kommen dann Peter Weiss, Alexander Kluge und Harun Farocki zu Wort. Und dann kann man sogar Bekanntschaft mit politischen Filmen „Jenseits der Worte" machen. Wenn die Kommunikation scheitert, ist das schließlich auch ein Politikum.

* „Touching Politics", vom 1. bis 17. Juli im Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, Tiergarten, www.fdk-berlin.de

effekt

Die Galerien schießen nur so aus dem Boden in der Ostberliner Innenstadt. Auf dem Weg in die Redaktion sehen wir fast täglich, daß wieder eine dazugekommen ist ­ und unsere Mailbox quillt über vor Einladungen zu Vernissagen. Wem das alles zu viel wird, der kann in eine Galerie in der Parochialkirche ausweichen, in der es erfrischend wenig zu sehen gibt, dafür aber zu hören. Die singuhr-hörgalerie bringt noch bis Ende Juli die Klanginstallation Pea Soup des Amerikaners Nicolas Collins ­ ein nicht zuletzt deshalb interessantes Stück, weil die Installation bereits vor 30 Jahren mit analogen Mitteln entwickelt, von Collins aber mittlerweile digital adaptiert wurde. Collins spielt mit Rückkopplungseffekten und hat eine Anordnung geschaffen, bei der seine „architektonischen Melodien" durch Bewegungen im Raum oder konkurrierende Geräusche interaktiv beeinflußt werden.

* „Pea Soup" von Nicolas Collins noch bis zum 31. Juli in der singuhr-hörgalerie in der Parochialkirche, Klosterstr. 67, Mitte, Do bis So von 14 bis 20 Uhr

affekt

Wie sich Sommertheater und Hartz IV programmatisch miteinander verbinden lassen, will die Künstlergruppe Neuer Notwendiger Untergrund gleich in der Nachbarschaft der auf solche Spektakel geradezu versessenen scheinschlag-Redaktion, auf dem Innenhof des Orphtheaters, zeigen. Dort gibt's im August das Stück Ernst von Igor Kroitzsch zu sehen, ein parabelhafter danse macabre um die vergebliche Jobsuche eines Arbeitslosen. Die Aufführung möchte den spontanen und „anarchischen Duktus der Commedia dell' Arte aufgreifen, um das Publikum zu politisieren und zu polarisieren".

* „Ernst" von Igor Kroitzsch am 31. Juli sowie vom 3. bis 8., 9. bis 11., 17. bis 21. und 23. bis 27. August, jeweils um 20.30 Uhr im Orphtheater, auf dem Hof der Ackerstr. 169/170, Mitte

objekt

Die Kulturfabrik in der Lehrter Straße 35 in Moabit will nun endlich sanieren. Aber bevor es dazu kommt, feiert sie noch ihren 14. Geburtstag. Am Sonnabend, den 2. Juli ab 19 Uhr gibt es unter dem leicht debilen Motto Fette Beute in Moabit Kino, Konzerte, einen Dancefloor und ein Kleinkunstprogramm. Eben genau das, womit sich die Kuturfabrik in den letzten Jahren etablieren konnte.

projekt

Sie haben mit der 1961 begonnenen Dokumentation Die Kinder von Golzow über die Lebensläufe der Sprößlinge eines brandenburgischen Dorfs die inzwischen älteste und ausuferndste Langzeitbeobachtung der Filmgeschichte geschaffen ­ Barbara und Winfried Junge. Anläßlich des 70. Geburtstags von Winfried Junge lädt die Akademie der Künste nun zum Filmegucken und zum Gespräch mit dem Jubilar, seiner Angetrauten, Lothar Bisky und anderen Mitwissern in ihr schönes, altes Domizil nach Westberlin.

* „Winfried Junge zum 70. Geburtstag. Lebensläufe – Die Kinder von Golzow", am 17. Juli, 19 Uhr die Filme „Elf Jahre alt" und „Drehbuch: Die Zeiten", 21 Uhr das Gespräch in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten

korrekt

Unser Nachbar, das „Multikulturelle Zentrum Schokoladen Mitte" wird 15 ­ der scheinschlag übrigens auch noch dieses Jahr ­ und bringt weiter und unermüdlich alternative Kultur nach Mitte, inzwischen ziemlich alleine auf weiter Flur. Vom 15. bis 17. Juli wird deshalb mit einem Hoffest gefeiert. Der Eintritt ist frei und die Darbietungen reichen von Latino-Surf, Comedy, Acoustic Pop und Heavy Listening bis Haydn. Hingehen!

* Schokoladen, Ackerstr. 169/70, Mitte, www.schokoladen-mitte.de

respekt

Vieles geht verloren, und dagegen hilft nur sammeln (s. auch S. 13-15). Im Theaterhaus Mitte hat man sich jetzt auf die Plakate der Offtheater-Szene verlegt. Sie sind oft künstlerisch anspruchsvoll gestaltet, finden meist nur lokale Verbreitung und oft zu wenig Beachtung. Seit dem 15. Juni und noch bis zum 5. September ergeht die Aufforderung, die kleinen Kunstwerke an das Theaterhaus zu schicken, die dann dort gesammelt und bis zum 10. Oktober ausgestellt werden. Am 24. September werden sechs Arbeiten prämiert, das Publikum wird auch um seine Meinung gefragt und darf einen Publikumspreis vergeben.

* Genauere Informationen zum Wettbewerb „Off-plakativ": www.theaterhaus-berlin-mitte.de

aspekt

Im Juli und August, wenn Theaterferien sind und auch sonst nicht viel los, unterhält die Natur mit Sternschnuppen. Denn dann kreuzt die Erde den Meteorstrom der Perseiden. Wem das nichts sagt oder wer gar beunruhigt ist ob dieser Vorgänge, der kann sich am 5. August in der Archenhold-Sternwarte von Prof. D. B. Herrmann über die „kosmischen Kleinkörper" aufklären lassen ­ und erfährt auch, ob sie für uns gefährlich werden können.

* „Sternschnuppennächte im August", Vortrag von D. B. Herrmann am 5. August um 20 Uhr in der Archenhold-Sternwarte, Alt-Treptow 1

suspekt

Merkwürdigkeiten fanden schon immer die Aufmerksamkeit der scheinschlag-Redaktion. Hier nun wieder eine, die wir auch unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: Ungewöhnlich genug, daß im brandenburgischen Bernau Avantgarde-Kunst gezeigt wird. Anfang August zeigt das dortige Wolf Kahlen Museum, das man von Mitte aus angeblich in 35 Minuten erreichen kann, zwei Filme des Meisters ­ Achtung Aufnahme, entstanden 1980, ein 28minütiges Dokument der ersten und letzten künstlerischen Video-Performance in der DDR mit trommelndem und pinselndem A. R. Penck, und das 21 Minuten lange Epos Unterm Himmel ­ Auf der Erde, Pflügen in Spiti von 1988.

* Beide Filme sind am 7. August um 18 Uhr im Wolf Kahlen Museum Bernau, Am Pulverturm, zu sehen.

scheinschlag-Aufsteller

 
 
 
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