Ausgabe 6 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Videoclip minus Musik = Poetry Clip

Als die Berliner literaturWERKstatt vor drei Jahren erstmals ein „Poetry Film Festival" veranstaltete, für Kurzfilme, die sich in irgendeiner Weise auf Gedichte beziehen, konnte in dem internationalen Wettbewerb eine große Formenvielfalt und die eine oder andere wirklich interessante Arbeit zu Tage gefördert werden. Die langweiligsten Arbeiten aber kamen aus Berlin, wo sich ein gewisser Wolfgang Hogekamp auf den „Poetry Clip" verlegt hat ­ auf Filmchen, die einer Videoclip-Ästhetik zu folgen versuchen, bei denen man aber in Ermangelung von Musik jedes Wort des schwächlichen Textes ganz genau zu verfolgen gezwungen ist.

Die meisten der 21 Clips auf der DVD Spoken Word Berlin ­ „Vol. 1" droht das Label ­ hat Hogekamp selbst inszeniert, mit Autoren wie Claudius Hagemeister, Sebastian Krämer und Boris Preckwitz, und er tut das auf die immergleiche, einfallslose Weise: Die Kamera hält dicht auf das Maul des Dichters, der meist an einem mit „Großstadt" oder „Berlin" konnotierten Ort, in der U-Bahn oder vor dem Haus des Lehrers herumhampelt und ­ obwohl meist längst in den Dreißigern ­ den coolen Jungen mimen muß. „18 Poetinnen und Poeten schauen dir in die Augen" wirbt das Label.

Die Poetry Clips sind überhaupt ein männliches Projekt, der marginalisierte Lyriker träumt davon, ein richtiger Kerl auf der Höhe der medialen Vermittlung zu sein ­ und macht sich dabei lächerlich. Einzig der unvermeidlichen Tanja Dückers ist es nicht zu blöd, auf ein Bett gefläzt ein Gedichtchen in schlechtem Englisch zu nuscheln.

Wenn Hogekamp nicht selbst Regie führt, kommen auch mal komplexere und anspruchsvollere Gebilde zustande, etwa in Till Müller-Klugs „Dein Freund der Baum", wo das Zurasen auf einen Baum inszeniert wird. Alles in allem aber sind diese Clips mehr als verzichtbar.

hb

* Spoken Word Berlin: Poetry Clips [Vol. 1], Lieblingslied Records, 15 Euro

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