Ausgabe 5 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

musik für die massen

Wortspiele

Es ist schon erstaunlich, wie groß der Themenpark für Funny van Dannen allein in Sachen Liebe ist und wie souverän er sich darin bewegt: Auf seiner neuen CD Nebelmaschine (Trikont) finden sich Songs, die fast alle Stadien der Liebe widerspiegeln: Er besingt langjährige und glückliche Paare genauso wie die Unglücklichen, die feststellen, daß sie mal wieder betrogen worden sind, aber auch die, die mit diesem Liebeskonzept gar nichts anfangen können. Keiner der Songs entspricht dabei dem klassischen Liebeslied, dazu sind sie zu schlicht („Adele Tschüssikowski") oder auch zu skurril („Dingficker"). Das ist definitiv der Charme seiner Kompositionen: Egal ob er die Sonnenseite schildert oder sich gerade den Abgründen nähert, Funny van Dannen bringt seinen Alltagshelden und ihren Schiffbrüchen immer Sympathie entgegen. Naja, fast immer: Wenn er das „Humankapital" oder „Mein Volk" beschreibt und über Ignoranz und den ganzen kapitalen Scheiß abkotzt, ist die Sympathie dahin – glücklicherweise aber nicht sein Humor.

Ein ähnlich unernstes Begehren, die Welt zu verändern, treibt den etwas rebellischeren Berliner Daniel Baumann alias Nachlader um. Anstelle zurückhaltender Kompositionen steht bei Bock auf Aphorismen (Labels) geschmeidig kickender Elektropop im Mittelpunkt. Er mischt Punk-Attitüde mit Wortwitz und eingängigen Melodien. Das klingt dann nach dem perfekten Soundtrack zum Film Die fetten Jahre sind vorbei. Und letztlich folgt die Musik dem Impetus des Films: Es geht darum, ein Unbehagen an bestimmten gesellschaftlichen Situationen zu äußern, ohne dabei gleich die große Analysemaschine heißlaufen zu lassen. Und natürlich ohne sich von diesem Kram die Laune versauen zu lassen. Dafür schrammen die Texte allerdings auch mal dicht an der Grenze zur Plattitüde entlang, was dem Spaß aber keinen Abbruch tut.

Viel Spaß macht auch die Musik von M.I.A. In einer Mischung aus HipHop, Dancehall, Electroclash und asiatischen Soundsprengseln kreiert sie einen ziemlich coolen Tanzsound. Aufgeladen wird Arular (Beggars Group) über einen politischen (Sub-)Text. Dabei sind es weniger politische Schlagworte, sondern ihre eigene Geschichte, die die Reibung erzeugt: Aufgewachsen ist Maya Arulpragasam, die sich hinter dem Pseudonym M.I.A. verbirgt, in Sri Lanka. Als sich ihr Vater einer tamilischen Untergrundorganisation anschloß, mußte sie als Siebenjährige mit ihrer Mutter ins englische Exil fliehen. Während es in ihren Liedern also auch um die Verstrickungen von Postkolonialismus, Rassismus und Globalisierung geht, bastelt M.I.A. in diesem Gewirr am Projekt Selbstaneignung durch Musik und Kunst. Qua Popkultur und fetter Baßline wabert dieser Diskurs um Identität und Politik durch angesagte Clubs und natürlich auch durchs Feuilleton. Geschickt ersetzt sie Agitation durch Hippness ­ und das macht wohl den Reiz aus.

Marcus Peter

 
 
 
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