Ausgabe 4 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

„Der Himmel wird
seine Freude
an Harald haben"

Wie am Stammtisch: Die Welt

nimmt Abschied von Harald Juhnke

MWürde er aus Berlin weggehen, so hat Harald Juhnke einmal gesagt, dann wäre das so, als würde die Gedächtniskirche verschwinden. Darüber, seine Heimatstadt zu verlassen, hat Juhnke freilich niemals ernsthaft nachgedacht, und es war ja auch kein freiwilliger Abschied, als der Demenzkranke Ende 2001 in ein Pflegeheim im Brandenburgischen gebracht wurde; fraglich, ob er es überhaupt gemerkt hat.

Sein Tod kam so wenig überraschend wie der des Papstes ­ auch wenn einige doch noch auf ein letztes, wunderbares Comeback gehofft haben mögen; die vorangegangenen Comebacks waren doch auch nicht sehr viel wahrscheinlicher gewesen. Eine letzte Rückkehr auf die Bühne als tragische Farce ­ sensationslüsterne Medienmenschen wollten den Umnachteten anläßlich seines 75. Geburtstags noch einmal auf eine Bühne hieven ­ konnte glücklicherweise abgewendet werden.

Es gibt nichts zu beschönigen: Juhnke war nicht trotz, sondern wegen seiner Trunksucht der populärste Volksschauspieler und volkstümlichste Entertainer des Landes, in seiner Berliner Heimat sogar weltberühmt. Bei seinen Auftritten kokettierte er in jedem zweiten Satz mit seinem Alkoholismus; seinem Buch Alkohol ist keine Lösung war kein großer Verkaufserfolg beschieden. Das am Ende falsche Versprechen, es trotz allem doch immer wieder zu schaffen, doch immer wieder auf die Beine zu kommen, war seine Botschaft als kleinbürgerliche Utopie. Am Ende kostet der Suff, der Exzeß des kleinen Mannes, den er etwas glamouröser gestaltete als seine Fans, in der Hotelbar statt in der Eckkneipe, mit Wodka statt mit Korn, eben doch „Leber oder Birne", wie Juhnke sich ausdrückte: je nachdem, ob der Alkoholiker als Spiegeltrinker sich dauerbenebelt hält oder ­ wie Harald Juhnke ­ den Quartalsexzeß sucht, der natürlich auch viel besser mit BILD und B.Z. kompatibel ist.

Wir haben Zitate und Stellungnahmen über Harald zusammengetragen – und es bei den Quellen nicht immer ganz genau genommen. Aber das hat er ja auch nie.

So einen Harald werden wir nie mehr haben. Es tut mir weh, daß einer gegangen ist, der uns so viel Freude bereitet hat.

Unsere Herzen sind von Traurigkeit erfüllt, voller freudiger Hoffnung und tiefer Dankbarkeit.

Wir Älteren werden ihn besonders vermissen. Seine Spritzigkeit, seine Natürlichkeit – so etwas kommt nicht wieder. Als Mensch war er ein Bombenkerl.

Je älter er wurde, desto besser wurde er.

Man war eigentlich durch seine lange Krankheit darauf vorbereitet, daß es zu Ende gehen könnte – zu seinem eigenen Besten, nehme ich an, denn so hätte er nicht leben wollen. Es ist für ihn eine Erlösung, glaube ich. Und ich nehme an, auch für seine Familie.

Er konnte ohne Berlin nicht sein, und ich hatte den Eindruck, als könne auch Berlin ohne ihn nicht sein. Wir sind sehr stolz auf ihn.

Ich kenne außer ihm keine wirkliche Autorität. Er war wie mein Vater. Er war da, immer, immer. Er hat mir so viel bedeutet.

Er besaß alle Voraussetzungen zum großen Darsteller; er verfügte über den in unserem Beruf so wichtigen Urtrieb, der ihn in die Lage versetzte, Charaktere auf der Bühne mit Blut und Hirn auszufüllen, ihnen Leben einzuhauchen, und er vermochte auch den gefährdeten Menschen glaubhaft darzustellen – nicht zuletzt aus eigener Erfahrung.

Er kannte das Leben, er hat uns allen unheimlich imponiert. Ich bin beeindruckt, was dieser Mann bis in seine letzten Lebenstage hinein geleistet hat.

Dem Publikum gab er sich ganz, mit Leib und Seele, mit Herz und Hirn.

Nur die wenigsten kannten ihn.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.

Die Ängste, die nur durch die Flucht in den Alkohol verdrängt werden konnten, sind stärker und stärker geworden.

Es mögen ihn Dämonen heimgesucht haben, wenn die Showlichter ausgingen und wenn er mit seinen Zweifeln allein war. Er hat sie nun endgültig besiegt.

Er war ein Tausendkünstler. Er hatte so viele Begabungen, daß er, wie viele große Talente, zwischendurch den Blick dafür verlor, wo er eigentlich hinwollte.

Er hatte Erfolg, eine Familie, ein Haus, einen Garten, eine gut gefüllte Bar und war eigentlich immer weiter auf dem Weg nach oben.

Ich glaube, daß er immer ein großes Kind geblieben ist. Er war anders als seine Kameraden. Seine Blicke sprühten.

Ich habe immer die Leichtigkeit bewundert, mit der er sich auf der Bühne bewegen konnte. Er war eben ein absoluter Profi. Er hat ja auch mit ganz wichtigen Leuten auf der Bühne gestanden.

Charisma kann man weder kaufen, noch erlernen, das bekommt man vom lieben Gott mit auf den Weg.

Was mir von ihm bleibt, ist sein Charme und sein unendlicher Humor.

Sie liebten seine nonchalante Art, seinen Witz, seinen Charme. Was gab es für einen Grund, mit Harald nicht befreundet zu sein? Es gab keinen. Der war unverkrampft und sprach wie am Stammtisch.

Mit wie viel Charme hat er das Abschieds-Chanson gesungen: „Die Show ist zu Ende, die Lichter gehen aus."

Jetzt steht Harald am Fenster des Hauses des Vaters und sieht uns und segnet uns.

Ich hoffe nur, daß es nie einen Augenblick gab, in dem ihm bewußt wurde, wie es um ihn stand.

Wie alle großen Komiker hätte Juhnke so gerne ein Tragöde sein wollen. Ganz am Ende ist er dann durch sein langes Sterben doch noch einer geworden.

Wir wollen keine Bilder von seinen Abstürzen mehr sehen, wir brauchen keine Histörchen von seinen Eskapaden mehr. Wir, die wir ihn so gerne mochten, waren immer sehr traurig darüber.

Für ihn ist es auf jeden Fall eine Erlösung.

Habt keine Angst!

Zitate: Udo Jürgens, Klaus Wowereit, Papst Benedikt XVI., Wolfgang Rademann, Curt Flatow, Ursula Wittmann, Günter Pfitzmann, Christiane Hörbiger, Frank Sinatra, Claus Peymann, Sebastian Bock, Günter Grass, Susanne Juhnke, Bernhard Minetti u.a.

Fotos: Knut Hildebrandt

 
 
 
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