Ausgabe 4 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Pop, Kino, Körper

Eine Textsammlung über die Interferenzen von Film und Pop-Kultur

21 Aufsätze über die Wechselbeziehungen zwischen populärer Kultur und Kino enthält das von den Mainzer Filmwissenschaftlern Bernd Kiefer und Marcus Stiglegger herausgegebene Buch Pop und Kino. In dieser Textsammlung kommen 19 Autoren aus verschiedenen Generationen zu Wort, darunter die bekannten Pop-Musikspezialisten Diedrich Diederichsen und Martin Büsser, der mit On the Wild Side nahezu zeitgleich ein Buch vorgelegt hat, das die wahre Geschichte des Pop zu erzählen behauptet. Faßt man den Titel des Buches genauer ins Auge, so könnte das zentrale Thema dieser Publikation die gegenseitige Verquickung von Popmusik und Kino sein, wobei je nach Primat dann der der Popmusik entlehnte Soundtrack eines Films oder der Clip bzw. Film zu einer bestimmten Musik in den Vordergrund gestellt wird.

Doch das Spektrum dieses Buches reicht weiter, fokussieren die in ihm enthaltenen Betrachtungen doch sowohl die Entwicklung des Films zum populären Ereignis als auch die seit den fünfziger Jahren bis heute andauernden Fusionen zwischen dem kinematischen Genre und der Pop-Kultur und grenzen diese Kultur dabei nicht ausschließlich auf den Bereich der Musik ein. Einen roten Faden entwickelt Pop und Kino über den Buchtitel hinaus allerdings nicht und läßt den Leser einen solchen ­ beispielsweise in Form sich aufeinander beziehender Texte ­ auch gar nicht erst erwarten. Schließlich sind die einzelnen Sujets so unterschiedlich, daß es kaum möglich ist, diese mittels eines gemeinsamen analytischen Überbaus zusammenzufassen.

Andererseits haben sich die Autoren zumindest auf den Körper als Objekt ihrer Untersuchungen geeinigt und führen dem Leser den Facettenreichtum popkinematischer Körper-Inszenierungen dezidiert vor Augen. Ob es sich dabei um die Reflexionen über Madonnas weibliches Maskenspiel handelt, das zur Produktion ihrer Geschichte dadurch beiträgt, daß es „in jedem neu interpretierten Sexualitätskonstrukt Reste des alten einschreibt" (Rauscher), um die Schilderung der mit mutantenhaften Körperentstellungen bewirkten Zerstörung modischer Schönheitsnormen in Aphex Twins Clip „Window Licker", oder um die porentiefen Nahaufnahmen von Trent Reznors Körper in dem Clip „Into the Void", dessen natürliche Unvollkommenheiten nicht wie in gängigen Musikvideos wegretuschiert, sondern sogar länger gezeigt werden als die übrigen Körperpartien – immer stehen in Pop und Kino der Körper und dessen filmisch-populäre Darstellungsweisen im Vordergrund.

Obwohl die Textsammlung mit dem Rock'n'Roll-Körper der fünfziger Jahre (Elvis Presley) beginnt und – zumeist chronologisch – über die Beatles, Hippies (Bob Dylan), Jim Morrison, den Punk und den New York Underground (R. Kern/L. Lunch) bis zu den aktuellen Beispielen des Buchthemas reicht (u.a. HipHop-Movies, Madonna, Trent Reznor, Marilyn Manson), gehört der von den beiden Mainzer Filmpublizisten herausgegebene Band zu den Büchern, bei denen einem überhaupt nichts entgeht, wenn man die Reihenfolge des Lesens nicht an der Reihenfolge der Texte, sondern am persönlichen Interesse ausrichtet.

Wolfram Hasch

* Marcus Stiglegger, Bernd Kiefer (Hg.): Pop und Kino. Von Elvis zu Eminem, Bender-Verlag, Mainz 2004. 14,90 Euro

 
 
 
Ausgabe 4 - 2005 © scheinschlag 2005