Ausgabe 3 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Umsonst und drinnen

Die Offene Uni soll einem Zentrum für Neurowissenschaft weichen

Fragt man den Pförtner am Eingang des Nordcampus' der Humboldt-Universität (HU) an der Philippstraße, wie man die Offene Uni (OUBS) findet, bekommt man nur eine grummelige Antwort, man müsse sich die dazugehörigen Hinweisschilder schon selber suchen. Er scheint nicht besonders begeistert von seinen Nachbarn zu sein. Dennoch haben viele den Weg in das etwas abgeratzte Haus gefunden, das als einziges wirklich belebt zu sein scheint auf diesem Areal mit verlassenen, zwischengenutzten und übriggebliebenen Uni-Gebäuden. Die von den Studenten eroberten Räume sind jedenfalls gepflastert mit den typischen Reviermarken linker Initiativen. Vom Anti-Atomplenum über das Mietshäusersyndikat, der Yorck 59, dem Umsonstladen bis hin zu Flüchtlingsinitiativen: Jedes politisch aktive Grüppchen in der Stadt, das etwas auf sich hält, scheint der OUBS schon mal einen Besuch abgestattet zu haben, wenn es nicht gar Veranstaltungen dort abhält.

Während man ähnlichen Projekten an der Freien Universität im fernen Dahlem oftmals vorwerfen mußte, sie beschäftigten sich lediglich mit anachronistischen Kapital-Kursen, ausufernden Debatten über den Sinn und Zweck von Bildung und albernen Koalitionsverhandlungen im Studentenparlament, hat die OUBS sympathischerweise nicht vergessen, in welcher Stadt sie lebt. Natürlich finden auch dort autonome Seminare statt, in denen in zähen Diskussionen fundamentale Gesellschaftskritik geübt wird und man so gerne einwerfen möchte, daß man doch mal auf die 40 Jahre lange Vorarbeit früherer Studentenbewegungen zurückgreifen könnte, anstatt wieder einmal das Rad neu zu erfinden. Die größeren Besuchererfolge feiert die OUBS dann jedoch mit Konzerten, Filmabenden, den Proben des Obdachlosentheaters Ratten 07 und anderen kulturellen Veranstaltungen, die darum nicht weniger politisch sind. Und nebenbei fungiert das Haus als öffentliches Wohnzimmer. Die Einbettung in andere, nicht studentische politische Initiativen ist offensichtlich Programm, sind die Aktivisten doch stolz darauf, daß nur etwa zwei Drittel von ihnen einen Studentenausweis vorzeigen können.

Seine Existenz verdankt die Offene Uni, die im Studentenstreik 2003/2004 zuerst ein paar Räume in einem Seminargebäude in der Dorotheenstraße bezog, vermutlich internen Meinungsverschiedenheiten der Unileitung. Während einige auf dem Nordcampus einen naturwissenschaftlichen Campus etablieren wollten, befürworteten andere einen geisteswissenschaftlichen und wollten schon mal Fakten schaffen, in dem sie den ­ naturgemäß eher geistes- und kulturwissenschaftlich orientierten ­ Aktivisten vor einem Jahr das Gebäude auf eben dem Nordcampus zur Verfügung stellten. Seitdem übernimmt die HU sogar die Betriebs- und Telefonkosten. Der Rest der benötigten Gelder wird über Spenden beim Getränkeverkauf und bei den Volksküchenabenden eingenommen.

Doch mittlerweile hat sich an der HU die Fraktion durchsetzen können, die auf dem Nordcampus ein interdisziplinäres Zentrum für Neurowissenschaft errichten will. Die Offene Uni soll ihre Heimstatt Ende März räumen. Zwar wurden ihr ein Plattenbau an der Invalidenstraße und perspektivisch ein Gebäude gegenüber ihres jetzigen Standortes angeboten, doch da in beiden Ausweichquartieren keine größeren Veranstaltungen möglich sind, dauern die Verhandlungen noch an. Sollten diese scheitern, droht die Zwangsräumung.

Dabei ist die OUBS durchaus kompromißbereit, sieht auch gar nicht den Hauptfeind in der Universitätsleitung wie normalerweise linksstudentische Bewegungen. Maximalforderungen wie Bildung für alle, Personalaufstockung oder Viertelparität sind in der OUBS wenig präsent. Offenbar haben die Aktivisten erkannt, daß die derzeitigen politischen Probleme allgemeinerer Natur sind und die Studenten sich kaum als revolutionäres Subjekt eignen, aber dennoch mit ihren Forschungsthemen zu einer sinnvollen politischen Arbeit beitragen können.

Susann Sax

Das Programm der Offenen Uni BerlinS findet sich unter www.oubs.tk.

 
 
 
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