Ausgabe 3 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Im Zweifel für den Investor?

Merkwürdige Vergabepraxis bei vakanten öffentlichen Immobilien

Seit Jahren Leerstand allerorten – Berlin ist kein gutes Pflaster für den gewerblichen Immobilienmarkt. Und obwohl sich private Investoren aus der ganzen Fülle des Angebotes bedienen können, greifen sie gerne bei öffentlichen Immobilien zu. Allein der Liegenschaftsfonds bietet über 5000 Objekte zum Verkauf oder zur Verpachtung an, darunter etwa 40 Schulgebäude. Dabei geht die Vergabe mitunter völlig an den Bedürfnissen der Bürgerschaft und kleiner Gewerbebetriebe vorbei. Jüngstes Beispiel: die auf 66 Jahre abgeschlossene Verpachtung der ehemaligen Gustave-Eiffel-Schule in der Kastanienallee 82 (Prenzlauer Berg) an die Schöneberger Sprachschule GLS. Deren Konzept sieht neben Sprachkursen auch einen Hotelbetrieb, Gastronomie und Reisedienstleistungen vor – nichts, was das Viertel wirklich braucht. Zudem es ganz andere Vorschläge gab.

Im April 2002 wurde offiziell verkündet, daß der Schulbetrieb in der Gustave-Eiffel-Oberschule eingestellt wird. Danach war es Aufgabe des Bezirksamtes Pankow, ein Nachnutzungskonzept für den frei werdenden Standort zu entwikkeln. Bis Mitte 2004 ließ man ­ nach intern verlaufener Vorauswahl möglicher Interessenten ­ lediglich eine begrenzte Anzahl Bewerber zu und lud zwei davon ein, ihre Konzepte vorzustellen. Das ganze Verfahren lief auf informellen Wegen ab ­ ohne jede Form der Bürgerbeteiligung und ohne ein offizielles Interessenbekundungsverfahren.

Nachdem im Sommer 2004 abzusehen war, daß die Suche nach einem Nachnutzer nicht ergebnisoffen, sondern vorrangig die Vergabe der Liegenschaft an das GLS-Sprachenzentrum betrieben wurde, gründete sich die Bürgerinitiative „Forum K82". Es war ihr erklärtes Ziel, für den prominenten Standort eine Nutzung zu entwickeln, die zu den realen Bedürfnissen der unmittelbaren Umgebung paßt.

Dazu gehörte die Öffnung des Geländes für einen allgemein zugänglichen Stadtteilpark und die Errichtung eines „Zentrums für selbständige, kooperative Bildung und Arbeit", das den heutigen Anforderungen an Arbeit und Leben gerecht wird. Schließlich haben sich die Arbeitsformen in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt. Heute gibt es eine ständig wachsende Zahl von Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen: out-gesourcte (Schein-)Selbständige, Ich-AGs, Freischaffende aller Spielarten. Um die meist mit dieser Situation einhergehende Vereinzelung aufzuheben, entstand die Idee der „horizontalen Fabrik": Die Mieter organisieren sich selbst und unterstützen sich gegenseitig, beispielsweise durch den Austausch von Wissen oder punktuelle Zusammenarbeit.

Das Konzept kam in der Nachbarschaft gut an: Über 300 Anwohner und fast alle ansässigen Gewerbetreibenden unterstützten mit ihrer Unterschrift das Projekt. Kein Wunder, denn gerade in den Hinterhöfen der Kastanienallee finden sich unzählige kleine Büros und Ateliers, deren Betreiber ein begründetes Interesse an diesem Gewerbe- und Bildungszentrum haben ­ ebenso die vielen vereinzelten Selbständigen in ihren sogenannten „home offices". Zumal mit kostenbewußten Umbaumaßnahmen günstige Mieten in Höhe der Betriebskosten angestrebt wurden. So waren auch sehr schnell 80 Interessenten gefunden, die sich beim „Forum K82" als potentielle Mieter beworben haben. Es kam eine bunte Mischung zusammen, von Medienarbeitern über Handwerker und Künstler bis hin zu sozialen, ökologischen und politischen Initiativen. Zudem fand sich mit St.ART e.V. ein Träger, der das Projekt gemeinsam mit der Bürgerinitiative entwickeln wollte.

Doch dazu kam es nicht. Bezirksverwaltung und Bezirkspolitik hatten an diesem Modell kein ernsthaftes Interesse. PDS und SPD als stärkste Fraktionen hätten ohne finanzielle Aufwendungen die ansässigen Strukturen fördern und ausbauen können, wie es auch ihre Aufgabe ist. Doch statt konstruktiver Gespräche wurde alles versucht, um das Forum K82 von Anfang an ins Abseits zu stellen. Dabei wurde auch mit unwahren Behauptungen gearbeitet. So erging ein Schreiben der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) an die Initiative mit dem Hinweis: „Wie Sie sicher wissen, hat das Bezirksamt Pankow von Berlin für diesen Standort ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt, das jetzt kurz vor dem Abschluß steht." Daß das nicht der Wahrheit entspricht, wurde auch später in der BVV eingeräumt.

Wie sehr Politik und Verwaltung darum besorgt waren, die Vergabe der leerstehenden Schule geräuschlos über die Bühne zu bringen, zeigt ein anderes Beispiel: Im März fand eine abschließende Kunstausstellung in der Gustave-Eiffel-Schule statt, bei der den Veranstaltern untersagt wurde, sich in diesen Räumen zum Verfahren und zur Situation der Nachnutzung zu äußern.

Die Auseinandersetzung um die Gustave-Eiffel-Schule ist Vergangenheit, doch das Konzept des Forums K82 ist weiterhin ein Angebot an die Politik. Auch wenn die Zeichen für öffentliche und partizipative Debatten über die Nachnutzung öffentlicher Liegenschaften derzeit nicht gut stehen. Um dennoch ein Umdenken bei den Verantwortlichen zu befördern, findet am 8. April in der Akademie der Künste das Symposion „!Berliner Potentiale!" statt. Die Veranstalter vom Atelierbüro des Berufsverbands der bildenden Künstler Berlins, der Zwischennutzungsagentur, des Arbeitskreises Berliner Selbsthilfegruppen im Altbau und St.ART erhoffen sich in Zukunft transparente Verfahren bei der Nachnutzung öffentlicher Räume und aktive Offenheit für bürgerschaftliches Engagement von seiten der Politik. Man darf den Initiatoren viel Glück wünschen.

Julia Amen/Jörn Hagenloch/Mathias Heyden/Alexis J. Passadakis

Die Autoren waren Mitglieder der Initiative K82. Informationen unter www.k82.org.

Das Symposion zu Nachnutzungen öffentlicher Liegenschaften für gemeinwesenorientierte Bildung, kreative Arbeit und kooperative Erwerbsstrukturen unter dem Titel „!Berliner Potentiale!" findet am 8. April von 14 bis 18 Uhr in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten, statt.

 
 
 
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