Ausgabe 2 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Wie klingt ein Kristall?

Pünktlich zur MaerzMusik, der modischen Nachfolgerin der Musik-Biennale, hat der im Grenzbereich zwischen Musik und bildender Kunst agierende Carsten Nicolai die Halle der neuen Nationalgalerie in einen einzigartigen Klangraum verwandelt – und reiht sich damit in eine Tradition der Moderne ein, die Sinnesgrenzen überschreitende ästhetische Erfahrungen zu erreichen sucht. Sein raumgreifendes Projekt beschreibt Nicolai so: „syn chron wird der Grenze zwischen Hören und Sehen Darstellungen verschaffen, die unmittelbar körperlich sowie sinnlich greifbar sind. Die synästhetische Erfahrung, die sich im inneren, organischen Raum des menschlichen Gehirns abspielt, wird auf das äußere, anorganische Wirken von Maschinen übertragen."

Zu diesem Zweck hat Nicolai, unterstützt von den Architekten Finn Geipel und Giulia Andi und dem Statiker Werner Sobek, einen kristallförmigen architektonischen Körper aus Bienenwabenmaterial bauen lassen, der mit Hilfe von Tonsignalen und Laser zum Leben erweckt werden soll. Von Nicolai komponierte Musik bringt die Haut des Kristalls zum Schwingen und wird gleichzeitig in Lichtereignisse umgesetzt, die auf den Körper projiziert werden und der jeweiligen Tages- oder Nachtsituation angepaßt sind. „Der Sound ist die Hauptfüllung des Kristalls", sagt Nicolai, der sich schon länger mit Kristallen beschäftigt und schon einmal die Besucher einer Ausstellung Schneekristalle züchten ließ.

Die veranstaltenden „Freunde guter Musik" kümmern sich schon seit 1999 verstärkt um „Musikwerke Bildender Künstler", haben bisher in Konzerten u.a. die Konzeptualistin Hanne Darboven und den Orgien-Mysterien-Radau von Hermann Nitsch aufgeführt. Carsten Nicolais Projekt mit seinem „Hang zum Gesamtkunstwerk" bringt nun eine neue Qualität in diese Bemühungen.

hb

Carsten Nicolai: „syn chron", vom 25. Februar bis zum 3. April in der Neuen Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di, Mi und Fr 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 22 Uhr, Sa und So 11 bis 18 Uhr

 
 
 
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