Ausgabe 1 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Weniger Büchereien, mehr Leser?

Bibliotheksschließungen in Pankow

Pankow gewinnt seit geraumer Zeit traurige Berühmtheit als der Stadtbezirk, der seine Bibliotheken schließt – bereits die Hälfte aller einst vorhandenen Standorte. 38 Bibliotheken gab es 1992 auf dem Gebiet des heutigen Fusionsbezirkes Pankow. Bis 2003 wurde die Zahl auf 20 reduziert. Zum Jahreswechsel 2005 sind weitere zwei Stadtteilbibliotheken, nämlich die in Wilhelmsruh und Buchholz, geschlossen worden. Bis Ende Februar sollen die Standorte Pistoriusstraße, Berliner Allee und Gustav-Adolf-Straße folgen. Und wenn Mitte 2005 die Bibliothek in der Pappelallee ihre Türen schließt, dann hat der Bezirk nur noch 14 Bücherstandorte zu umsorgen.

Dabei tönt der Kultur- und Bildungsplan Pankow: „Bibliotheken sind Orte der Vermittlung traditioneller Buch- und Lesekultur. Durch ihre flächendeckende Präsenz und leichte Erreichbarkeit garantieren sie den grundgesetzlich geforderten Zugang zu Information." Wie aber läßt sich das mit den Schließungen vereinbaren? Almuth Nehring-Venus, Bezirktsstadträtin für Kultur, Wirtschaft und öffentliche Ordnung verteidigt die Schließungen vor dem Hintergrund der Haushaltsnotlage Berlins. Bei den geschlossenen Standorten handele es sich um kleine und kleinste Einrichtungen mit zum Teil nur 80 m2, technisch und baulich veraltet sowie wenig genutzt. Außerdem eröffne im Frühjahr 2005 eine neue Bibliothek in der Bizetstraße in Weißensee.

Das Heilmittel für die angeschlagene Berliner Bibliothekslandschaft lautet „Stärkung durch Straffung", was im Klartext heißt: Die absolute Zahl der Standorte wird reduziert, die verbleibenden Bibliotheken sollen größer, moderner, technisch auf dem neuesten Stand und mit einem umfangreicheren Medienangebot ausgestattet sein. Angesichts der jährlich sinkenden finanziellen Ausstattung der Pankower Bibliotheken ­ 2001 waren es noch ca. 6,1 Millionen Euro, im laufenden Jahr sind es ganze 2 Millionen weniger ­ fällt es schwer, an wunderbar ausgestattete, vor Neuerscheinungen strotzende, noch dazu modern eingerichtete Bibliotheken zu glauben. An der „Straffung", sprich Schließung, bleibt kein Zweifel, wohl aber an der „Stärkung". Zumal dazu Personal in ausreichender Zahl vonnöten wäre. Die Personaleinsparungen des Landes Berlin machen jedoch auch vor Bibliotheken nicht halt. Von 2001 bis 2005 sind hier 38 Stellen abgebaut worden, was knapp einem Drittel des gesamten Personals entspricht. „Wenn nicht mehr genügend Personal vorhanden ist, kann auch keine Bibliothek aufrechterhalten werden", so Nehring-Venus. Die Qualität eines Bibliotheksstandortes, Einschränkungen der Öffnungszeiten oder gar weitere Schließungen hängen also ganz wesentlich von der weiteren Personalentwicklung ab, und dazu gibt es „noch keine Entscheidungen".

Der Mensch ist von Natur aus bequem, lange Wege schrecken viele ab. Welche Strecke zur nächsten Bibliothek ist für Kinder zumutbar? Oder für Menschen, die alters- oder krankheitsbedingt nicht mobil sind? Es bleibt also die Frage, ob neue, aber weiter entfernte Bibliotheken dem Lesewilligen nutzen, wenn er gar nicht erst dort ankommt. Die Ausleihzahlen sprechen zumindest nicht dafür. Sie sind im Vorjahr im Vergleich zu 2001 um zwei Prozent leicht gesunken.

Vera Kühn

 
 
 
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