Ausgabe 1 - 2005 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

 

Kinder als Claqueure mißbraucht

Betrifft: Eliteschule versus Theaterhaus Mitte (s. scheinschlag 10/04). Eine private Schulinitiative für die Kinder der wirtschaftlichen und politischen Eliten will per feindlicher Übernahme die derzeitigen Nutzer aus ihrem Domizil vertreiben. Dazu ist ihnen nahezu jedes Mittel recht. Jetzt wird der Druck auf die Politik erhöht, denn die Zeit brennt den Möchtegern-Eliteschulbetreibern unter den Nägeln.

Die 33. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte am 20. Januar stand deshalb unter einem besonderen Stern: Das Auditorium auf der Empore war rappelvoll – mit Dutzenden von Kindern im Vorschulalter nebst deren Eltern. Viele fremde Zungen aus dem nichtsozialistischen Ausland waren zu hören: Bayrisch, Fränkisch, Hessisch und – immer wieder – Schwäbisch. Der Lärmpegel war enorm. Aber auch sonst mangelte es nicht an interessierten Bürgern, die die von ihnen gewählte BVV bei der Arbeit beobachten wollten.

Es begann mit einer Bürgerfragestunde. Yvonne Wende von der Privatschul- Initiative „Berlin Metropolitan School" sollte ihre Frage stellen. Doch die ließ auf sich warten. Zunächst stellte sie sich ausführlich selbst dar. Nach mehrmaliger Ermahnung durch die Vorsteherin kam sie endlich zu Potte. Sie wollte wissen, ob der Denkmalschutz ca. zwei Mio. Euro in Fassade und Dach gesteckt hätte, damit das Gebäude wieder als Schulstandort genutzt werden könne. Oliver Esterl (SPD) machte klar, daß das Haus bereits genutzt wird, man aber gerne der Initiative bei der Suche nach einem Gebäude helfen würde. Frau Dr. Stiller (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf die Bedeutung des Theaterhauses als wichtigsten Berliner Probenort für die freie Theaterszene der Stadt hin. Und daß sie weit über 2000 Unterschriften für den Bestand des Theaterhauses erhalten habe. Außerdem sei das Geld für die Renovierung unter der Bedingung vergeben worden, gegebenenfalls wieder eine öffentliche Schule dort unterzubringen. Ansonsten müsse der Bezirk die zwei Mio. zurückzahlen. Auch die PDS sprach sich vehement für die Theaterleute aus. CDU und FDP waren keinem Argument zugänglich, sondern wiederholten sich stereotyp: Theater raus, Privatschule rein. Dann wurde über den Antrag der CDU (auf Wunsch der FDP geheim) abgestimmt. Von 48 Bezirksverordneten stimmten 31 dagegen und 17 dafür. Vox populi (ein Mitbürger neben mir) zum organisierten Krawall der Elite-Gören: „Das ist ja schamlos: Kinder werden auf Befehl zum Lärmen und Stören oder zum Applaus gebracht. Wie in den finstersten DDR-Zeiten."

Georg Engel

 
 
 
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