Ausgabe 09 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

musik für die massen: Tanzbar

Ein Album, das Party-Keller (Compost Records) heißt, ruft sicherlich Erinnerungen an mehr oder weniger gelungene Feste im elterlichen Untergeschoß hervor. Doch in diesem Fall bezieht sich das Wortspiel auf eine Münchener Tanzveranstaltung, zu der Florian Keller regelmäßig lädt. Jetzt liegt auch für Berliner Wohnzimmer-Kneipen-Besucher eine Art Best-of-Album vor. Auf Party-Keller findet sich eine Auswahl von Songs der letzten 30 Jahre, die alle auf ihre Art einflußreich waren. Kleine Perlen also, die man irgendwo schon mal gehört hat – und sei es nur als Sample in irgendeinem anderen Hit. Die Mischung aus Funk und Soul, Ragga und frühem HipHop haben durchgängig Tanzformat. Das Schöne daran ist, daß bisher noch keiner dieser Songs aus welchen Gründen auch immer von den einschlägigen Radiosendern kaputtgedudelt wurde. Rare Grooves nennt man so was wohl dann auch. Glück gehabt.

Zu etwas mehr Bekanntheit hat es inzwischen Zoe gebracht. Auch sie bewegt sich zwischen Ragga und Soul. Dabei wird ihre Stimme von einer solchen Eleganz und Ausstrahlung getragen, daß es ziemlich egal ist, daß ihre erste Single-Auskopplung „Rock Steady" inzwischen rauf und runter gespielt wird. Letztendlich beweist sie genau bei solchen Nummern ihre Klasse. Obwohl im Hintergrund ein Skarhythmus antreibt, nimmt sie dank ihrer lasziven Stimme ganz lässig die Geschwindigkeit raus. Das ist überhaupt das Geheimnis von Exile African (Chet), denn fast alle Lieder besitzen diese musikalische Vielschichtigkeit. Daß ihre Musik so betört, mag daran liegen, daß Zoe in Afrika geboren, in Deutschland aufgewachsen und ihr Album zusammen mit Mastermind Dean Fraser auf Jamaika aufgenommen hat. Es kann aber auch sein, daß sie einfach eine großartige Sängerin ist.

Lange Zeit stand auch das Black Ark Studio von Lee Scratch Perry auf Jamaika. Dann brannte er es nieder. Es war eine Art Teufelsaustreibung und wohl auch der Versuch eines radikalen Neubeginns. Mit diversen Musikern hatte er sich bis dahin überworfen, und sein Drogenkonsum hatte die Grenze zwischen Wahn und Genie immer mehr verschwimmen lassen. Dabei hatte Perry Ragga durch seine Experimentierlust nachhaltig verändert. In den Siebzigern mutierte er zum Cyborg und verschmolz mit seinem Mischpult. Dub war der musikalische Bastard, der aus dieser Verbindung hervorging. Inzwischen lebt Perry in der Schweiz und hat dort auch sein neues Studio aufgebaut, das er passender Weise White Ark taufte. Lee Perry ist fast 70 Jahre alt, und offensichtlich hatte er mal wieder Lust auf weniger Schräges und ein mehr tanzbares Dub-Album. Dabei fehlt es Panic in Babylon (Damp Music) weder an Humor, noch an Einfallsreichtum. Nur scheint die Schweizer Luft die bösen Geister vertrieben zu haben und die Zusammenarbeit mit der Schweizer Raggaband The White Belly Rats recht lustvoll zu sein, denn Panic enthält sozusagen das Beste aus den beiden Welten Lee Perrys.

Marcus Peter

 
 
 
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