Ausgabe 08 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Musik für die Massen:

Einzelgänger

Splatterdandy gegen den Rest der Welt – was wie das Remake eines Filmklassikers klingt, ist so eine Art Kernaussage des Berliner Musikers Splatterdandy. Bewaffnet mit einer Attitüde aus Arroganz und Lässigkeit rappt Splatterdandy ohne Beachtung von Tabus gegen all das Glatte und Geleckte. In einer hübsch aggressiven Mischung aus HipHop, Techno und ein wenig Dub pißt Splatterdandy in herrlicher Selbststilisierung jedem und allen ans Bein. Das ist zwar allemal unterhaltsamer als das momentan angesagte Gelalle diverser Berliner HipHop-Labels, läuft auf Dauer aber auch ins Leere, denn die Hauptwaffen auf Terrorista (Popup) sind Provokation und Andeutung. Mit ein paar Textumdrehungen mehr und Zielgenauigkeit hätte etwas entstehen können, das über die bloße Attitüde hinausgeht. Ist vielleicht aber auch ein bißchen viel verlangt. Denn allem Agitprop-Gehabe zum Trotz interessiert Splatterdandy wohl eher die neo-dadaistische (Selbst-)Inszenierung als politische Inhalte – und die ist immerhin von derben Humor getragen.

Ähnlich großkotziges Auftreten ist man von Prodigy gewohnt. Auch hier geht es immer um eine Pose ­ die der bösen Elektro-Punks. Das ist auf Dauer natürlich auch ermüdend. So ist das Vorteilhafteste, was man über das neue Album Always Outnumbered, Never Outgunned (Beggars) sagen kann: Klingt fast wie früher, nur eben das Erfrischende, das Neue dabei fehlt. Ideenlos scheppert und klimpert ein Industrial-Techno-Sound ohne Höhepunkte über die gesamte Länge der CD. Überladen mit Selbstzitaten und ganz und gar überraschungsarmen Samples verbreiten die 60 Minuten nichts anderes als Langeweile. Und so sind Prodigy nicht mehr als Geschichte. Da paßt es denn auch, daß Liam Howlett das neue Album komplett ohne seine beiden Mitstreiter eingespielt hat, die dürfen zwar noch mit auf Tour, aber das war's dann auch.

Nach so viel Häme, es geht auch anders: Ohne viel Aufsehen hat Noël eine wunderschön unprätentiöse Platte aufgenommen. Wrong Places heißt die und hat genau den Charme wie so viele Veröffentlichungen des Berliner Labels Lok – wie etwa Contriva, Komëit oder Mina. Bei der letztgenannten Band hat Noël mal eine Zeit lang mitgespielt, und so verwundert die musikalische Nähe nicht. Ein wenig Unterstützung hat sich Noël dann auch bei den Labelkollegen geholt – und so klingt der Sound von Wrong Places recht vertraut. Das Ganze ist wie eine Familienplatte: Sonntagnachmittag, gute Freunde sind da, Kuchen und Vierspur-Aufnahmegerät stehen auf dem Tisch, und dazu gibt es warme Songwriter-Kompositionen rund um Gitarre und Gesang. Einfach und gut.

Marcus Peter

 
 
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