Ausgabe 07 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Die Trödlerconnection

Ein Gütesiegel für Gebrauchtcomputer

MFrüher waren es die Gebrauchtwarenhändler, die in dem Ruf standen, ihren Kunden stets überflüssigen und überteuerten Schrott zu verkaufen. Mittlerweile sind sie diesbezüglich von den Gebrauchtcomputerhändlern abgelöst worden. Wer selbst kein Experte ist oder einen aus seinem Bekanntenkreis mobilisieren kann, dem bleibt kaum etwas anderes übrig, als fabrikneue Rechner zu erstehen, um nicht übers Ohr gehauen zu werden. Doch selbst die von Discountern angebotenen Computer sind an Leistungskraft eher dem Pentagon oder einem Kraftwerk angemessen, als einer Privatperson, die gerade mal ein bißchen tippen und im Netz surfen will. Außerdem sind sie voll alberner Gimmicks, so daß der stolze, aber verständnislose Neubesitzer anschließend mitunter schon einige Tage braucht, um animierte Hunde oder Büroklammern restlos von seinem Desktop zu entfernen.

Doch jetzt naht Hilfe von unerwarteter Seite. Es begann mit einem vom Bundesforschungsministerium geförderten TU-Projekt, das sich mal wieder zum Ziel gesetzt hatte, Ökologie und Ökonomie verbraucherfreundlich zu vereinen. Das auf drei Jahre angelegte Projekt entwarf effiziente Teststrecken für Gebrauchtcomputer, feilte an der Öffentlichkeitsarbeit und etablierte ein Netzwerk aus Technikern, Netzwerkadministratoren und Händlern, um ausgediente, aber noch brauchbare Rechner wieder in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen. Seit einigen Monaten ist das Projekt ausgelaufen und mündete in die Gründung des Vereins ReUse-Computer e.V.

Macht man sich auf die Suche nach den Vereinsräumen, landet man zunächst bei „Batman Elektronik", einem typischen Elektroschrott-Händler in der Hermannstraße. Muharrem Batman vertickt dort alle erdenklichen Computer-Einzelteile, Tastaturen für fünf Euro und mehr oder weniger stilvoll verkleidete Rechnergehäuse. Auf den ersten Blick unterscheidet sich Batman in seinen Verkaufsstrategien kaum von einem Händler in den Treptower Hallen, ist aber gleichzeitig der Vizevorsitzende des ReUse-Vereins und stellt diesem seinen Nebenraum als Büro zur Verfügung. Unter anderem von dort aus wird die Vereinsarbeit koordiniert: Gebrauchte Computer von Firmen und Privatleuten werden beschafft, Schulungen und Einführugen in Open-Office organisiert, Netzwerkadministratoren vermittelt und auf Anfrage auch individuelle Beratungen beim Kauf gebrauchter Rechner angeboten.

Mitglieder des Vereins sind neben Technikern insbesondere Händler, die das ausgefeilte ReUse-Testverfahren anwenden und ihre ­ selbst besorgten oder von ReUse erworbenen ­ Geräte mit einem Testprotokoll versehen, das Auskunft gibt über Speicherkapazität, Geschwindigkeit, Laufwerke und sonstiges Zubehör. Gilt der Test als bestanden, ist der Dreck vom Vorgänger aus dem Innenleben beseitigt und sieht der Rechner einigermaßen ansehnlich aus, wird er mit einer Seriennummer versehen, erhält das ReUse-Gütesiegel und geht in den Verkauf. Die Preise setzt der Händler selbst fest. Daß sie überteuert sein könnten, befürchtet der Vereinsvorsitzende Bernd Gründel nicht, das werde der Markt schon regeln. Außerdem sieht man sich Neumitglieder gründlich an, in der Hoffnung, gewährleisten zu können, daß sie sich an das Vereinsethos halten werden und den Kunden nur das Gewünschte und Benötigte zu fairen Preisen andrehen. Man will halt nicht die Marke bereits in der Anfangsphase versauen. So ist die ­ mittlerweile sogar überregionale ­ Liste an Bewerbern lang.

Der ReUse-Computer-Verein ähnelt keiner der zahlreichen Initiativen, die – ideologisch unterfüttert – ausgediente technische Luxusgüter an arme Straßenkinder in Nicaragua verteilen. Stattdessen gibt man den Computertrödlern eine Gelegenheit, ihr Image zu verbessern, ökologisch nicht vollends Verblödeten, ihre alten Rechner loszuwerden, und den Kunden, sich der technischen Nachrüstungspirale zu erwehren.

Katrin Scharnwerber

* ReUse-Computer Verein,
fon 0700/87373873,
www.ReUse-Computer.org

* Batman Elektronik, Hermannstraße 47, Neukölln

 
 
 
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