Ausgabe 07 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurzkultur

schiffsmannschaft

Auch wenn die Hauptstadt an keinem ernstzunehmenden Fluß liegt ­ eine Stadt am Wasser ist Berlin allemal. Das Thema Wasser haben diesmal auch die Veranstalter des „Tags des offenen Denkmals" aufgegriffen und rücken Pumpwerke, Hafenanlagen, Stadtbäder und Brunnen in den Mittelpunkt des Interesses. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer schwadroniert in ihrem Vorwort zwar von „Aufwertungsstrategien am Spreeufer", dennoch lädt das qualitätvolle Programm wieder hauptsächlich zur Wahrnehmung vernachlässigter, oft vergessener Baudenkmäler ein. Geboten werden „Denkmal-Schiffahrten", aber auch Rundgänge zum Thema „Berlin, die Stadt am Wasser". Der Frauentreffpunkt Brunnhilde e.V. in der Rheinsberger Str. 61 gewährt am 10. September ab 19 Uhr einen Einblick ins Archiv und informiert über Baudenkmäler im Kiez.

* Tag des offenen Denkmals am 11. und 12. September, kostenlose Programmhefte in allen Bezirksämtern, www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/denkmaltag

mitleidenschaft

Deregulierung und Sozialabbau werden sicher noch einige tragikomische Blüten treiben. Hier ist eine davon: Eine PR-Agentur will nun ab dem 14. September arbeitslose Schauspieler als lebende Werbespots in Off-Kinos auftreten lassen ­ „eine Maßnahme, die dem Ruf einer Weltstadt gerecht wird", wie es so unverständlich wie vollmundig heißt. Ein Werbekunde, der solche Spots in Auftrag gibt, kann sich angeblich gleich einer Reihe guter Taten rühmen: Das Publikum freut sich, die Off-Kinos profitieren, und vielleicht werden die Schauspieler ja entdeckt!

leibeigenschaft

Viele Menschen zahlen freiwillig viel Geld, um ihren Oberkörper irgendwelchen Kleiderfirmen als Werbeträger zur Verfügung zu stellen. Daß man „T-Shirts" auch anders, gar subversiv nutzen kann, zeigt eine Ausstellung im Kunstraum Propeller. Dort wird das „widerständige Potential von Logos" ausgelotet, man erfährt aber auch von Cisca Bogman, wie man politisch-korrekt Military-Kleidung tragen kann: Es müssen nur Bilder von toten Soldaten hinzugefügt werden. Das „Institut für Primärenergieforschung" wertet gefundene Gegenstände mit seinem Wappen auf, während Christine Kriegerowski spielerisch Lebensmittelwerbung auf T-Shirts druckt.

* „T-Shirts: Corporate Identity und Körperidentität", noch bis zum 31.Oktober im Propeller, Seumestr. 23, Friedrichshain, Di bis Do ab 20 Uhr, Fr bis So ab 18 Uhr

pilgerschaft

Es gibt sicherlich schönere Gebäude, doch dem Charme des Flughafens Tempelhof mit der Ausstrahlung eines Provinzbahnhofs kann man sich nur schwer entziehen. Ehe Tempelhof im Herbst geschlossen wird, gibt es nun noch einmal Gelegenheit, im Flughafenrestaurant bei einem besonderen musikalischen Event die eigentümliche Atmosphäre zu genießen. Unter dem passenden Titel Between Arrival and Departure stellt Alexander Holmes aka Vanishing Breed seine neue Platte vor ­ Folksongs, die sich mehr oder weniger um das Thema moderne Heimatlosigkeit bewegen. Als Ergänzung und Kontrast gibt es mit ISAN und Schneider TM noch elektronische Klänge zum Dessert. Guten Flug!

* „Between Arrival und Departure", am 18. September von 16 bis 22 Uhr im Flughafenrestaurant Tempelhof, Platz der Luftbrücke, Eintritt 9 Euro

partnerschaft

Berlin ist wohl eine „Stadt in der Krise" ­ obwohl, im Vergleich etwa zu Buenos Aires scheint doch alles halb so wild. Anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen der deutschen und der argentinischen Hauptstadt zeigt das Kellerkino Arsenal „Neues Kino aus Argentinien". Die 17 Filme illustrieren, daß auch die argentinischen Filmschaffenden metropolenfixiert sind ­ aber auch, daß es in dem südamerikanischen Land, im Gegensatz zu Deutschland, ein ernstzunehmendes politisches Kino gibt. Dieses laboriert nicht nur an der Aufarbeitung der Jahre der Diktatur, sondern reagiert auch auf die Krise der letzten Jahre. So zeigt Der weiße Zug Müllsammeln als Überlebensstrategie, während Gefangen eine 15jährige porträtiert, die plötzlich damit konfrontiert wird, die Tochter eines Ehepaars zu sein, das während der Diktatur verschwunden ist und sich nun auf eine schwierige Identitätssuche begeben muß.

* „Stadt in der Krise – Neues Kino aus Argentinien", vom 3. September bis zum 30. Oktober im Kino Arsenal, Potsdamer Str. 2, Tiergarten

vormundschaft

Kann man sich vorstellen, daß der Alexanderplatz eines Tages in Coca-Cola-Platz umbenannt wird? Warum eigentlich nicht, solange die PDS noch mitregiert? Eine Wiener Künstlergruppe hat jedenfalls die gefakte Umbenennung des Karlsplatzes in Nike-Place lanciert und damit in Wien für einige Aufregung gesorgt. Das Projekt wird derzeit in einer Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) gezeigt, die sich mit der Frage nach der Macht über mediale Bilder beschäftigt: Wem gehören sie? Wer kontrolliert sie? Und vor allem: Wie kann man sie verändern? Ein französischer Street-Art-Aktivist betreibt „Visual Kidnapping", während Elke Marhöfer und Barbara Frieß Vermummungsmasken zeigen, die einen bei Demos vor Videoüberwachung schützen sollen. Aber das ist ja nicht ganz neu.

* „Nine Points of the Law. Bild – Macht – Besitz – Verhältnisse", noch bis zum 3. Oktober in der NGBK, Oranienstr. 25, Kreuzberg, täglich von 12 bis 18.30 Uhr

liegenschaft

35 Jahre liegt die Neubebauung der Fischerinsel jetzt zurück; das damals geschaffene Neubau-Ensemble ist inzwischen auch schon wieder zerstört. Das auf dem Eiland ansässige Kreativhaus nimmt das Jubiläum zum Anlaß, um die Historie dieses Ortes in einer Ausstellung auszubreiten. Zu sehen sind Fotos, Stadtansichten von Künstlern sowie „plastische Fundstücke". Außerdem kommen Zeitzeugen zu Wort.

* „Die Fischerinsel. Zeugnisse und Spuren", noch bis zum 15. Oktober in der Fischerinsel-Passage, Gertraudenstr. 20, Mitte, Di 10 bis 20 Uhr, Mi bis Fr 15 bis 20 Uhr, Sa und So 14 bis 18 Uhr

machenschaft

Hundehasser wie Kynophile sind gleichermaßen zu einem Wettbewerb aufgerufen: Man wähle einen beliebigen Hund und erstelle dazu eine Bildserie, die 1. das Vieh, 2. seinen Besitzer und 3. ein „charakteristisches Accessoire" zeigt. Teilnahmeberechtigt sind sowohl Berliner als auch Personen, die mindestens sechs Monate in Berlin verbracht haben ­ fragt sich bloß, wie man dann noch Hundeliebhaber sein kann.

* Genauere Informationen und das Teilnahmeformular unter
www.d-o-g-game.de, Einsendungen an: D.O.G. c/o s.wert design, Thurneysserstr. 3, 13357 Berlin

 
 
 
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