Ausgabe 07 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Keine Experimente

Berliner Stadtpläne im Vergleich

Vor der deutschen Teilung war der 1902 in Prenzlauer Berg gegründete Pharus-Verlag der wichtigste europäische Stadtplanverlag. Seine Pläne waren preisgekrönt und schmückten jeden Berliner U-Bahnhof. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag sein Sitz im sowjetischen Sektor, weshalb das Unternehmen enteignet und in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt wurde. 1954 erschien der letzte Stadtplan unter diesem Namen – die Geschichte des Pharus-Verlags endet hier erst einmal.

Die hinterlassene Lücke füllte der 1946 in Hamburg gegründete Falk Verlag, der seinen ersten Berliner Stadtplan 1947 herausbrachte. Begünstigt wurde dessen Aufstieg zum heute weltweit größten Stadtplanverlag anfangs durch großzügige Zuweisungen damals sehr knappen Papiers durch die britische Militäradministration; vor allem aber fußte sein Siegeszug auf der bis heute nicht veränderten praktischen Patentfaltung seiner Karten.

Im Gegensatz zu den Ostberliner Stadtplänen aus dem VEB Landkartenverlag und den späteren Plänen aus dem VEB Tourist Verlag, die Westberlin seit dem Mauerbau lediglich als weiße Fläche auswiesen, erhob der Falkplan zumindest den Anspruch, ein Groß-Berliner Stadtplan zu sein. Er berücksichtigte sogar die Straßenumbenennungen auf Ostberliner Seite. Die 8. Auflage des Falkplans aus den fünfziger Jahren wies neben den neuen Namen auch die alten aus, so stand hinter „Stalinallee" noch in Klammern „Frankfurter Allee". Später verzichtete man auf diesen Service.


Torstraße, August 2004: Knut Hildebrandt

Spätestens seit dem Bau von Marzahn und Hellersdorf ist aber trotzdem kaum zu übersehen, daß der Falkplan ein Westberliner Stadtplan war und bis heute geblieben ist. Auch in der aktuellen 66. Auflage sind die beiden großen Ostberliner Neubaugebiete auf Nebenkarten verbannt, während das mindestens ebenso am Arsch der Welt gelegene Falkenhagener Feld auf der entgegengesetzten Seite der Stadt großzügig in den Hauptplan integriert ist. Abgesehen von dem seit Jahrzehnten nur wenig veränderten abgebildeten Stadtausschnitt, gibt es aber wenig am neuen Falkplan zu bemängeln. Seinen Konkurrenzprodukten aus dem RV Verlag und vom ADAC, die ihn laut Michael Ritz, dem Betreiber der Internetseite www.landkartenarchiv.de, seit Mitte der neunziger Jahre zunehmend unter Druck setzen, ist der Falkplan immer noch, und nicht nur wegen seiner Patentfaltung, hoffnungslos überlegen. So ist der Falkplan der einzige untersuchte Stadtplan, der sämtliche überprüften Einbahnstraßen richtig ausweist. Außerdem ist an vielen Stellen der Mittelstreifen samt Unterbrechungen eingezeichnet, so daß man weiß, wo man die Straße überqueren kann und wo nicht. Diese sinnvollen Angaben findet man allerdings nur in Westberlin, aber typischerweise nicht für die Frankfurter Allee in Ostberlin.

Beim Städte-Atlas Berlin aus dem RV Verlag fragt man sich unwillkürlich, wie sich ein solches Produkt auf dem Markt behaupten kann. Berlin ist hier in 149 einzelne Karten zerlegt, so daß man ständig blättern muß und sich keinen Überblick verschaffen kann. Weder die Voigtstraße in Friedrichshain noch die Ackerstraße in Mitte sind Einbahnstraßen, wie der Plan behauptet. Vermutlich wurde der Atlas einzig dazu herausgebracht, um Touristen in die Irre zu führen, was immerhin auch eine lohnende Aufgabe sein kann.

Etwas übersichtlicher und mit weniger Fehlern kommt der ADAC FaltPlan daher. Hier hat man Berlin von West nach Ost in vier Karten aufgeteilt. Das ist zwar nicht besonders sinnvoll, aber der Plan verursacht zumindest keine größeren Wutausbrüche. Für etwas grobmotorisch veranlagte Menschen, die mit dem Falkplan nicht zurechtkommen, könnte der ADAC FaltPlan vielleicht sogar eine Alternative sein, allerdings weist auch er die Voigtstraße als Einbahnstraße aus.

Empfehlenswert sind dagegen die Pläne aus dem Pietruska Verlag, die aber für den Falkplan ohnehin keine Konkurrenz darstellen. Zusammen mit dem ADFC hat man einen speziellen Fahrrad-Stadtplan erarbeitet, der Straßen und Radwege in drei Eignungsklassen einteilt und auch Umlaufsperren angibt. Genau wie der allseits bekannte, ebenfalls im Pietruska Verlag erschienene Wandstadtplan, der seit Jahren in jedem U-Bahnhof hängt, ist der Fahrrad-Stadtplan sehr übersichtlich, weil die ganze Stadt auf einer Karte untergebracht ist und man nicht ständig blättern muß. Der Wandstadtplan ist allerdings etwas unhandlich und eignet sich nicht für unterwegs. Dafür kann er jede Wand verschönern.

Ganz so schön wie die alten Pharus-Pläne, die früher an jedem U-Bahnhof zu sehen waren, ist er denn doch nicht. Aber auch diese sind seit ein paar Jahren als Nachdrucke wieder zu haben – herausgegeben vom 1972 in Westberlin wiedergegründeten Pharus-Verlag, der inzwischen auch wieder aktuelle Pläne veröffentlicht. Bisher allerdings in erster Linie Stadtteilpläne und keine von ganz Berlin. Aber womöglich ändert sich auch das bald, und der Falkplan erhält doch noch eine ernstzunehmende Konkurrenz.

Dirk Rudolph

* Berlin ADAC FaltPlan, 1. Auflage, CartoTravel Verlag, Bad Soden/Ts., Gotha und Schönefeld bei Berlin 2004. 8,50 Euro

* Berlin Wandstadtplan 2004, Pietruska Verlag, Rülzheim und Berlin 2004. 25 Euro

* Fahrrad-Stadtplan Berlin, Pietruska Verlag, Rülzheim und Berlin 2001. 6,50 Euro

* Falkplan Berlin, 66. Auflage, Falk Verlag, Ostfildern 2004. 6,50 Euro

* Städte-Atlas Berlin, RV Verlag, Ostfildern 2003. 12,95 Euro

 
 
 
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