Ausgabe 05 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ein weites Feld

Das Ensemble Ki ist mehr als nur eine Gruppe von Instrumentalisten

Die ersten Bewährungsproben hat das vor einem Jahr gegründete Ensemble Ki schon hinter sich, das Debüt im Jüdischen Waisenhaus in Pankow, Konzerte zusammen mit dem renommierten Frankfurter Ensemble Modern und im Rahmen der Nam June Paik-Ausstellung in der Deutschen Guggenheim. Von anderen Spezialensembles für neue Musik wie etwa dem Kammerensemble Neue Musik Berlin unterscheidet sich die neue Formation aber im Ansatz und in ihrer ganzen Struktur. Es gibt keine feste Besetzung, sondern einen Pool von etwa 30 Instrumentalisten, Komponisten und Musikwissenschaftlern, die projektbezogen kooperieren und in unterschiedlichen Formationen auftreten. So wurden im Guggenheim-Konzert Werke für Schlagzeug und Cello u.a. von John Cage und Ensemble-Mitglied Fabien Lévy aufgeführt, während man zur Uraufführung von Jörn Arneckes Oper Drei Helden in der Musikakademie Rheinsberg natürlich in größerer Formation antritt. Der aus Frankreich stammende Cellist Augustin Maurs, der das Ensemble Ki gegründet hat und leitet, legt auf die Internationalität des Projekts wert, auch darauf, daß zwischen den Ensemblemitgliedern ein ständiger Gedankenaustausch stattfindet und von den Musikern nicht bloß exekutiert wird, was ein künstlerischer Leiter beschlossen hat.


Foto: Knut Hildebrandt

Kennengelernt haben sich die meisten am Ensemble Beteiligten, Musiker und Komponisten um die 30, an der Hanns-Eisler-Hochschule. Das Ensemble Ki ist für sie aber keineswegs der erste Schritt in den Musikbetrieb, sie haben alle schon Stipendien und Kompositionsaufträge erhalten, mit verschiedensten Ensembles und Orchestern zusammengearbeitet. So hat der Komponist Fabien Lévy bereits ein Projekt am Pariser IRCAM geleitet, während der Schlagzeuger Luigi Gaggero unter Dirigenten wie Pierre Boulez und Michael Gielen aufgetreten ist und die Violinistin Yvonne Hertel als Aushilfe beim Deutschen Sinfonie Orchester und dem Orchester der Komischen Oper angestellt ist. Sie alle eint ein gewisses Unbehagen an den bestehenden Strukturen, denen sie mit dem Ensemble Ki ­ Ki ist ein mesopotamisches Wort für Feld ­ etwas entgegensetzen wollen. Man bemüht sich natürlich um Förderungen, im Moment aber muß alles, einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit, ehrenamtlich geleistet werden, ermöglicht durch Brotberufe oder Stipendien.

Das Guggenheim-Konzert war der Auftakt zu einer Reihe, die im Herbst fortgesetzt werden soll: „WRITTEN/NOT WRITTEN" ist der Titel des Projekts, das sich mit dem Verhältnis unterschiedlicher Notationsarten, aber auch „Nicht-Notationen", improvisierter Musik beschäftigt – auch das ein Feld, auf dem sich einige Ensemblemitglieder bewegen. Die vier geplanten Konzerte beziehen Komponisten eng in die Konzeption ein und wollen sie auch mit dem Publikum ins Gespräch bringen. So setzt ein Konzert mit Fabien Lévy und Xiaoyong Chen Notationen in China und Europa, traditionelle chinesische und neue europäische Musik in ein Verhältnis, während ein Konzert mit der irischen Komponistin Jenny Walshe die Frage aufwirft, wie unterschiedlichste visuelle Vorlagen in Musik umgesetzt werden können. Um die Übertragung von Sprache in Musik geht es in einer Zusammenarbeit mit dem Lyriker Bernhard Nessler; Sven Ingo Koch, Komponist und Mitstreiter im Ensemble Ki, wagt gar die grenzüberschreitende Kooperation mit DJ Illvibe. Es sieht so aus, als würde das Ensemble Ki das Berliner Musikleben in Zukunft bereichern.

Peter Stirner

> Am 30. und 31. Mai, sowie am 12. und 13. Juni ist das Ensemble Ki an der Aufführung der Oper „Drei Helden" von Jörn Arnecke an der Musikakademie Rheinsberg beteiligt. www.ensemble-ki.de

 
 
 
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