Ausgabe 05 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Vergessene Biographien (31)

Emilie Lehmus, erste Medizinstudentin Deutschlands und erste Berliner Ärztin, geb. am 30. August 1841 in Fürth, gest. am 17. Oktober 1932 in Gräfenberg bei Erlangen. Das Soziale lag in der Familie: Der Vater, Friedrich Theodor Eduard Lehmus, gründete 1837 den ersten Kindergarten Deutschlands als Pfarrer in Fürth und 1851 einen Armen- und Krankenverein (Vorläufer der Diakonie). Seine sechs Töchter erhielten ihren Neigungen entsprechende Berufsausbildungen. Emilie Lehmus arbeitete nach Lehrerseminar und Sprachstudien in Paris als Lehrerin. 1870 immatrikulierte sie sich als erste deutsche Medizinstudentin an der Uni Zürich und promovierte 1875 mit Auszeichnung. Von 1876 bis 1900 war sie die erste Ärztin in Berlin oder ­ wie es damals hieß ­ der erste weibliche „Arzt für Frauen und Kinder". Neben ihrer Privatpraxis betrieb sie gemeinsam mit einer Kommilitonin aus Zürich ­ Franziska Tiburtius (1843-1927) ­ ab 18. Juni 1877 die erste „Poliklinik weiblicher Ärzte für Frauen und Kinder". Die Räumlichkeiten in der Schönhauser Straße 23/24 stellte ihnen Brauereibesitzer Bötzow ein Vierteljahrhundert kostenlos zur Verfügung. Beide Ärztinnen erlangten nie die deutsche Approbation und galten offiziell nur als „Heilbehandlerin". 1881 eröffneten beide ihre „Pflegeanstalt für Frauen", aus der sich eine moderne chirurgische Klinik mit Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Ärztinnen entwickelte. Aktiv war Emilie Lehmus im Sanitätsverein für Lehrerinnen und Erzieherinnen und im Kaufmännischen und gewerblichen Hilfsverein für weibliche Angestellte. Obwohl wegen Krankheit 1900 in die bayerische Heimat zurückgekehrt, beteiligte sie sich 1908 an der Gründung der „Vereinigung weiblicher Ärzte" in Berlin, indem sie 16000 RM stiftete.

sk

> Am Ort der ersten Poliklinik in der Alten Schönhauser Str. soll eine Gedenktafel angebracht werden. Spenden bitte an die Gedenktafelkommission Mitte: Frau Dr. Hübner, fon 2823638, oder FrauenTreff „Brunnhilde" e.V., fon 4493227.

 
 
 
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