Ausgabe 04 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Der Improvisator

Hermann Keller zwischen Ost und West, Komposition und Improvisation

In der DDR konnte man wunderbar freischaffender Komponist sein. Der das sagt, muß es wissen. Der 1945 geborene Hermann Keller konnte es sich sogar leisten, seine Stelle an der Eisler-Hochschule wegen inhaltlicher Differenzen mit dem damaligen Rektor zu kündigen und ab 1980 freischaffend als Komponist und Pianist tätig zu sein. Keller, der in den Bereichen der komponierten wie der improvisierten Musik gleichermaßen zu Hause ist, räumt auch gleich mit dem Vorurteil auf, in der DDR habe der Jazz keine Chance gehabt, das treffe bloß auf die fünfziger und sechziger Jahre zu – und holt Platten aus der Amiga-Jazz-Reihe aus dem Schrank. Amerikanischer Jazz ist dort in Lizenzausgaben erschienen, aber auch eine Platte des Berliner Improvisations-Quartetts, in dem Hermann Keller als Pianist mitgespielt hat. Im Deutschen Theater gab es Jazz-Abende, und noch kurz vor der Wende konnte er in Cottbus und Umgebung sogar Konzerte mit improvisierter Musik und Publikumsbeteiligung realisieren.

Mit der Wende wurde zwar nicht alles anders, aber doch vieles schlechter für Musiker im Osten. Hermann Keller steckte gerade in der Gründung einer freien Musikschule in Hohenschönhausen, die als Musikhaus e.V. noch immer besteht, wenn die anfängliche Euphorie auch inzwischen einer gewissen Ernüchterung gewichen ist. Bald wurde der Peters Verlag in Leipzig, in dem auch Keller unter Vertrag war, liquidiert. Zwar übernahm Peters Frankfurt zunächst die backlist aus dem Osten, doch wollte man Keller, und nicht nur ihn, eigentlich nicht haben und beendete bald die Zusammenarbeit. Es sollten einige Jahre ins Land gehen, ehe Keller dann in der neugegründeten Edition Juliane Klein in Bremen eine neue verlegerische Heimat fand. Die engagierte Verlegerin nimmt jetzt gar die Veröffentlichung seines Gesamtwerks in Angriff. Die neuen Arbeitsbedingungen wirken sich auch unmittelbar auf Kellers Kompositionen aus. Hatte er für sein 1. Klavierkonzert, das 1984 im Leipziger Gewandhaus von der Jungen Deutschen Philharmonie mit Keller als Solisten uraufgeführt wurde, noch den großen Orchester-Apparat zur Verfügung, gestand ihm der Auftraggeber Deutschlandradio für das 2. Klavierkonzert, das kurz vor seiner Fertigstellung steht, bloß noch ein Ensemble von 13 Instrumentalisten zu. Und auch für die improvisierte Musik ist es nicht einfacher geworden. Zwar gelang es Keller mit einigen Mitstreitern, im Kulturhaus Mitte den Donnerstag als jour fixe mit Jazz und Improvisation zu etablieren, doch Geld gibt es für die Musiker dort keines, und mit der bevorstehenden Sanierung des Hauses geht den Musikern der Raum erst mal verloren.

Man mag einwenden, es sei doch, bald 15 Jahre nach der Wende, anachronistisch, in der Musikszene noch immer Ost gegen West auszuspielen. Doch suchen sich die „Ost-Komponisten" diese Identität ja nicht unbedingt aus, sie wird ihnen vielmehr durch Ausgrenzungsmechanismen aufgezwungen. Mancher, z. B. Friedrich Goldmann, war zu allen Zeiten, im Osten wie im Westen, gut im Geschäft und in Amt und Würden; andere, Paul-Heinz Dittrich etwa, waren zu DDR -Zeiten im Westen hochgeschätzte Außenseiter und sind dort nach der Wende weitaus weniger präsent; und Komponisten wie der in der DDR renommierte Christfried Schmidt scheinen vollends von der Bildfläche verschwunden. Daß mit Armin Köhler ein Mann aus dem Osten an der Spitze des prestigeträchtigen Festivals von Donaueschingen steht, hat seinen Freunden aus dem Osten auch nichts gebracht. Dem Vorwurf, die ganze Ost-Szene auf das westliche Podium zu hieven, kommt er durch eine übergroße Zurückhaltung zuvor. In Berlin haben Ost-Komponisten zwar ihre Netzwerke und kleineren Räume, aber dem wichtigsten Festival, der Musik-Biennale, über die der ehemalige Festwochen-Intendant Ulrich Eckhardt schützend seine Hand gehalten hatte, wurde von seinem Nachfolger Joachim Sartorius der Garaus gemacht. Die „MaerzMusik" übt sich in Klangkunst, Crossover und Beliebigkeit und möchte mit der Tradition des Vorgänger-Festivals nichts zu tun haben. Hermann Keller hat deshalb die Konzertreihe „Ostinato" ersonnen. Vor einem Jahr gab es – in Zepernick – das erste Konzert, am 2. Mai tritt dort das modern art sextet mit Werken von u.a. Georg Katzer, Helmut Zapf und Hermann Keller auf. Mehr als ein Konzert im Jahr ist vorerst nicht drin, aber immerhin hat man das Deutschlandradio mit im Boot, wo das Konzert am 19. Mai um 20 Uhr auch gesendet wird.

Hermann Keller, den Stefan Amzoll in der jungen Welt einen „Klangkreator von Kopf bis Zeh" nannte, wird sich so schnell nicht beirren lassen. Am 11. Mai steht denn auch schon die nächste Uraufführung in der Reihe „Unerhörte Musik" bevor: Jenseits von Amerika ist der Titel eines neuen Trios.

Florian Neuner

> „Jenseits von Amerika" sowie Werke von Iannis Xenakis, Lutz Glandien, Juliane Klein u.a. am 11. Mai um 20.30 Uhr in der BKA, Mehringdamm 34, Kreuzberg (mit Jürgen Kupke, Antje Messerschmidt und Hermann Keller)
Informationen zu Hermann Keller: www.editionjulianeklein.de

 
 
 
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