Ausgabe 03 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Theatralische Unikate

Das internationale Improvisationstheater zu Gast in Berlin

Da steht jemand auf einer Bühne und sagt zum Publikum: „Ich brauche einen Raum, wo was Schlimmes passieren kann." „Bad", schreit das Publikum. Eine Uhrzeit wird noch gebraucht – „Mitternacht" ist die Antwort. Und los geht es. Mehr ist nicht vonnöten, um eine Bühnen-Kurzgeschichte zu erfinden. Das heißt: wenn man darin geübt ist. Und die Schauspieler eines Improvisationstheaters sind es. Mit einigen wenigen Requisiten, einer Quietscheente und einem Morgenmantel erfinden die Akteure ein Märchen mit Happy End und Augenzwinkern, das nur dieses eine Mal zur Aufführung kommt. Das macht den Reiz nicht nur für den Zuschauer aus. Warum sonst würden sich Menschen in aller Welt freiwillig und für wenig Ruhm auf der Bühne zum Affen machen, wie in Berlin die langerprobten „Gorillas"?

Wenn eben von Menschen aus aller Welt die Rede war, kann das getrost wörtlich genommen werden, denn derzeit ist diese Behauptung beim mittlerweile 4. Internationalen Festival für Improvisationstheater, kurz Impro 2004, nachzuprüfen. Gruppen unter anderem aus Deutschland, den USA, Kanada, Belgien, Finnland und der Türkei zeigen, wieviel man aus wenig machen kann. Ähnliches gilt auch für die Organisatoren, die Kreuzberger Gorillas, die gänzlich ohne Fördermittel seit vier Jahren dieses Festival auf die Beine stellen. Anlaß war ein Gastspiel bei einem Festival in Seattle. Das machen wir in Berlin auch, dachten sich die Improvisateure, und es hat geklappt.

Das Publikum wird auch diesmal zahlreich zu den Spielorten strömen. Die liegen schön zentral in Kreuzberg und Mitte, angefangen beim „Stammhaus" Ratibor über das Mehringhoftheater, den Schlot bis hin zum Stadtbad Oderberger Straße, das von den eingeladenen Gruppen das erste und wohl auch das letzte Mal bespielt werden kann, und zwar mit einer Badshow.

Eines ist Improvisationstheater nicht: Pantomime. Es wird viel gesprochen, von den internationalen Gästen meistens auf Englisch. Damit sollte der potentielle Besucher rechnen. Und wer Blut geleckt hat, kann sich im Ratibor zu einem Improbasics-Workshop anmelden.

Besonders sei hier noch auf zwei Glanzlichter des Festivals hingewiesen: die Weibershow am 2. und die Männershow am 3. April. Diese beiden Shows sind eine Erfindung des Ratibortheaters. Grund für die Weibershow ist die Männerlastigkeit der internationalen Impro-Szene, denn bei gemischten Ensembles werden die Frauen viel zu schnell zu Gattinnen, Geliebten oder Töchtern. Und die sind in den seltensten Fällen die Hauptpersonen. Bei der Weibershow hingegen kann Frau alles und jede sein. Zur Vorbereitung trifft sich die internationale Besetzung übrigens im Hammam und heckt den Abend aus. Die Herren gehen am folgenden Tag erstmal zusammen kegeln und werden natürlich am Abend einen Wettkampf um den besten Improvisateur ausrufen. Was da passieren wird, weiß niemand. Fest steht nur, daß es ein lustiger Abend wird.

Ingrid Beerbaum

> Impro 2004 noch bis zum 4. April, www.improfestival.de

Foto: Knut Hildebrandt

 
 
 
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