Ausgabe 03 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Stille Wasser

Dieser anscheinend ruhige Typ ist ein Monstrum, ein Mörder. Das stille Wasser des Flusses, auf dem Lukas jeden Morgen rudert, ist dreckig und könnte für seinen Seelenzustand stehen. Der Zivildienstleistende hat mit seinen Kollegen kaum Kontakt. Er ist einsam, aber nicht wütend, kein Taxidriver, obwohl er sich eine Waffe besorgen wird, um jemanden umzubringen – für Isabella, die Schöne, die plötzlich aus dem Nichts auftaucht und ihm einen Zettel zusteckt: „Hilf mir!" steht darauf. Aber eigentlich ist Lukas der Hilfsbedürftige.

Der Zuschauer ängstigt sich vor diesem Lukas, einer Figur des Autors Dirk Kurbjuweit, der seinen Roman Schußangst mit dem gleichnamigen Film für das Kino adaptierte. Regie führte der Georgier Dito Tsingtsadze (Lost Killers).

Alle in Lukas' Umgebung erscheinen als soziale Autisten, bis auf Isabella. Mit ihr redet er über seine Jugendsünden. Mehr erfährt man nicht über ihn. Nur mit dem Mädchen erlebt Lukas glückliche Momente, z.B. beim Rudern. Aber sie wird ihn enttäuschen. Die Tage vergehen zwischen Rudern und Essenbringen. Einmal lädt ein Nachbar Lukas zu sich ein. Die beiden schauen mit dem Nachtsichtgerät in die Fenster gegenüber. „Ihre Seelen sind ganz leer", sagt der Nachbar und weiß nicht, wie recht er damit hat.

Schußangst zeigt, wie aus Frustration und Zurückweisung Gewalt entstehen kann. Auf Festivals hoch dekoriert und oft in einem Atemzug mit Gus van Sants Elephant genannt, wird der Film wohl im eigenen Land ein Nischendasein fristen, da er ruhig, melancholisch und ohne Effekthascherei auskommt. Was ist schon eine Einzelperson gegen ein Teeniemassaker? Dabei verstört Schußangst umso mehr, da sich die Geschichte quasi vor der Haustür abspielt. Das macht Angst, aber nicht vor Schüssen.

Ingrid Beerbaum

> „Schußangst", ab 15. April im Rollberg-Kino, Rollbergstraße 70, Neukölln

 
 
 
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