Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Realistisch und phantastisch

Berlin, Mitte der neunziger Jahre – das alte Berlin ist bereits untergegangen: Sytexplatten versperren den Zugang zu den Altbauten, die einst die Besetzer, Künstler und Partyfanatiker anzogen; Bauarbeiter sanieren passionslos den Palast der Republik zu Tode. Das Neue Berlin gibt es noch nicht: Bauschilder, Plastikmodelle und Computeranimationen verkünden zwischen Regierungsviertel und Potsdamer Platz die Schöne Neue Welt, die kommen wird. Doch zu sehen sind nur Bauzäune, die die Stadt zusperren, dahinter Männer, die mit riesigen Geräten hantieren.

Nicht anders als der Stadt ergeht es vier Frauen Mitte zwanzig, die in Berlin leben. Auch sie müssen Kapitel in ihrem jeweiligen Leben abschließen und etwas Neues finden. Doch wenn die Umgebung so unwirtlich ist wie das „Berlin der Baukräne", welchem der glückverheißenden Werbeplakate für eine schönere Zukunft soll man glauben? Daß nach allen Fehlversuchen endlich der richtige Partner auftaucht? Dem Kinderglück? Karriere, um gesellschaftlich anerkannt zu werden? Oder den Versuch machen, als Schauspielerin das eigene Talent zu verwirklichen?

Das Besondere an rosa ­ oder welche farbe hat das leben! ist, daß er realistisch und phantastisch zugleich ist. Die vier Frauen erzählen offen und konkret aus ihrem Leben, und aus dem Erzählten erwachsen Phantasien, die sich in der bizarren Landschaft der Stadt im Umbau abspielen. Kleine Akte des Widerstands gegen die gesellschaftlichen Grenzen, die sie als Frauen erfahren, schließen sich an kleine Revolten gegen den Abriß der gewachsenen Stadt an.

Wenige Jahre später ist alles anders. Die glitzernden Fassaden der Computeranimationen stehen in echt zwischen Reichstag und Potdsamer Platz. Und waren die Glücksverheißungen, auf die sich die vier einließen, wirklich die richtigen?

Malte Fuhrmann

> „rosa – oder welche farbe hat das leben!" von Julia Dittmann läuft ab 4. März im Lichtblick, in den Hackeschen Höfen und im Moviemento

 
 
 
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