Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Verwunschener Zauberwald wartet auf Prinzen

Vier Interessenten buhlen um den Spreepark

„Was ist das?" fragt sich der Nicht- oder Neu-Berliner beim Anblick eines überdimensionierten Gartenschmucks beim Spaziergang durch den Plänterwald. Reste einer aufgegebenen Schrebergartensiedlung oder eines verlassenen Zirkus? Ein Depot für Rummel-Accessoires? Beim genaueren Hinsehen wird klar, daß es ein ehemaliger Vergnügungspark ist. Dem Berliner bekannt als der Spreepark.

Die Anlage ist ein Hybrid aus Sozialismus und Kapitalismus. Die Beton-Laternen und die Sanitäranlagen sind Relikte aus DDR-Zeiten; eine Westernstadt kam erst nach der Wende dazu. Das Riesenrad und die vielen kleinen Häuschen erinnern an eine Mischung aus Tschernobyl und einer verlassenen Goldgräberstadt. Es ist schwer vorstellbar, aber bald soll der Rummel zu neuem Leben erwachen. Im März wollen sich Liegenschaftsfond, Insolvenzverwalter und Gläubigerbanken für einen Käufer oder Pächter des Parks entscheiden. Es bewerben sich eine Schaustellergruppe, ein englisches und ein französisches Unternehmen sowie der Kopenhagener Konzern Tivoli. Letzterer ist Berlins Favorit.

Tivoli hat einen guten Ruf und ehrgeizige Pläne. An diese will der Senat glauben, denn das Land Berlin bürgt für 75 Prozent der fast 15 Millionen Schulden, die auf dem Park lasten. Und Tivoli verspricht sich den Fund neuer Goldminen in Form von drei Millionen Besuchern jährlich. Ein hochgestecktes Ziel ­ 2001 hatte der Park 400000 Gäste.

Der Rummel hatte schon bessere Tage gesehen. Eröffnet wurde der „Kulturpark Berlin", auch „Kulti" genannt, 1969 aus Anlaß des 20. Geburtstags der DDR. Zum 40. hatte der Park 1,5 Millionen Besucher und bekam ein neues Riesenrad. Doch auch das konnte die Nachwende-Misere nicht abwenden, die in engem Zusammenhang mit dem ehemaligen Betreiber Norbert Witte steht. Der Hamburger Schausteller erhielt 1991 den Zuschlag für den Park. Offiziell wurde Wittes Frau Geschäftsführerin der Spreepark GmbH. Denn um Wittes Ruf stand es schlecht, war er doch 1981 für eine Kollision zweier Karussells mit tödlichen Folgen auf dem Hamburger Rummel verantwortlich.

Daß der Spreepark kontinuierlich weniger Umsatz machte, begründete Witte mit der zu geringen Anzahl an Parkplätzen. Die Einbußen veranlaßten ihn Ende 2001 dazu, den Erbbaupachtvertrag zu kündigen. Die Kündigung wurde vom Senat jedoch nicht anerkannt ­ das Land und 140 Gläubiger warteten auf ihr Geld. Daraufhin setzte sich Familie Witte mit „Kind und Karussells" nach Peru ab. Im November 2003 wurden in Wittes „Fliegendem Teppich", der aus Lima nach Hamburg zur Reparatur verschifft wurde, 181 kg Kokain gefunden. Ob Witte davon seine Schulden bezahlen wollte?

Berlin hat sich nun im Fall einer neuen Pleite abgesichert. Nach Aussage der Grünen-Abgeordneten Lisa Paus enthalten die Vertragsentwürfe eine besondere Klausel: Falls der Park nochmals rote Zahlen schreibt, dürfen auf dem Grundstück Stadtvillen gebaut werden. Doch zu einer weiteren Pleite sollte es nicht mehr kommen. Das Land Berlin wird dieses Mal ausreichend Parkplätze genehmigen.

Sarah Oßwald

Fotos: Florian Brenner

 
 
 
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