Ausgabe 02 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurznachrichten

für viele euro

34505 gültige Unterschriften hat die „Initiative Berliner Bankenskandal" dem Innensenat übergeben, um ein Volksbegehren für die kontrollierte Insolvenz der Bankgesellschaft zu erwirken. Doch der Innensenat hat am 3. Februar die Unzulässigkeit des Antrages erklärt. Das Volksbegehren ziele nicht nur auf eine Gesetzesänderung ­ die Aufhebung des Risikoabschirmungsgesetzes, das dem Land Berlin die aus den Immobiliengeschäften der Bankgesellschaft anfallenden Schulden überhilft ­, sondern darüber hinaus auf die Neuordnung des Landeshaushaltes und sei somit nicht verfassungsgemäß. Die Initiative ist nun dabei, eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof Berlins vorzubereiten. Schließlich teile man nicht die Meinung des Innensenators, daß der erwünschte Volksentscheid den Haushalt wesentlich beeinträchtigen könnte. Im Gegenteil: Durch die vollständige Aufarbeitung der Bankenpleite würden weniger Kosten auf Berlin zukommen.

für wenige euro

Deutschlands Wohnungseigentümer sind zu alt, sagt Wüstenrot. Französische Eigentümer sind viel jünger. Britische ­ noch jünger. Überhaupt ist unsere „Wohneigentumsrate" schlecht. Man muß sich schämen, als junger Mensch noch nichts für die „Wohneigentumsrate" getan zu haben. Ein Bekannter der scheinschlag-Redaktion lebt in einem Haus, in dem nur junge Wohnungseigentümer wohnen. Ein windiger Hauseigner hat irgendwann schnell alle Wohnungen veräußert, weil er dringend weg mußte. Er hat nur an junge Leute verkauft. Jetzt sieht es in diesem Haus aus, wie in einer brasilianischen Favela. Jeder bastelt, alles verschleißt. Wegen ständiger Rohrbrüche stehen im Treppengang Schrankwände, Sofas und Betten. Die Eigentümergemeinschaft ist oft uneins. Im Hausflur liegen deshalb verschiedene Teppichsorten und Linoleum. Im Sommer züchtet unser Bekannter auf der Dachterrasse Kartoffeln. Sein Nachbar hat dort etwas herumstehen, das grunzt. Neuerdings gibt es im Keller Schwamm. Aber niemand hat Geld, ihn zu beseitigen. So nagt von unten der Schwamm am Haus und oben verlegt ein junger Mensch pfeifend neues Laminat. Er pfeift das Wüstenrot-Lied.

für ein euro

Berliner Kitas sind jetzt bald für einen Euro zu haben. Samt Inhalt. Davon spricht der Finanzsenator. Er möchte damit die Privatisierung der städtischen Kindertagesstätten vorantreiben. Ein Euro ist nicht viel. Ein Betrag, für den man sich sonst im Ein-Euro-Laden ein neues Nudelsieb zulegen würde. Warum nicht eine Kindertagesstätte? Gerade junge Menschen könnten so günstig Eigentum an Immobilien bilden. Und ­ das Unwiderstehliche: Der Wunsch nach eigenen vier Wänden kann kongenial mit dem Kinderwunsch verbunden werden. „An uns soll es nicht scheitern", verspricht der Finanzsenator.

fast umsonst

Spottbillig ­ fast umsonst ­ will die BVG künftig ihren Kunden noch mehr Kurzweil bereiten. Bisher konnte man sich ja in U-Bahnhöfen mit der netten weißen Säule unterhalten, wenn man sich langweilte. Das führte mitunter zu interessanten Gesprächen: Betrunkener: „Hallo ­ können Sie mir mal Auskunft geben?" Säule: „Wo befinden sie sich?" Betrunkener: „Ja, können Sie mir das bitte sagen? Wo ich mich befinde?" Säule: „Wollen Sie mich verarschen?" Nun gibt es etwas Neues. Ab jetzt kann man sich an Bushaltestellen mit den Verkehrsbetrieben SMS hin und her senden. Die BVG will garantiert antworten. Einfach an 77377 smsen. Und dann geht´s los.

termine

> Was hat attac mit der APO zu tun? Darüber, wie sich sogenannte „Protestbewegungen" verändert haben, hat die Zeitschrift vorgänge ein ca. 100 Seiten starkes Themenheft (Nr. 164) herausgegeben. Hat etwa ein Wandel der Massenmedien einen Wandel von Protestformen zur Folge? Das Heft heißt „Von der Apo zu Attac" und ist für zehn Euro zu bestellen bei: Tatjana.Hellwig@gwv-fachverlage.de; fax 0611/ 7878423; fon 0611/7878151

> Es besteht die Möglichkeit, beim „Berliner Büro für Gleiche Rechte" im Büro der Initiative gegen das Chipkartensystem im Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4, Prenzlauer Berg, Lebensmittelchipkarten von Flüchtlingen zu erwerben. Das Bargeld geht an die Flüchtlinge, für die Gutscheine kann man in bestimmten Läden einkaufen. Für die Gutscheine erhält man Lebensmittel, aber auch Kleider bei C&A oder Karstadt. Eine Liste der Läden, die die Gutscheine akzeptieren, ist im Büro erhältlich.

> Unter www.stadtentwicklung.berlin.de können bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung neuerdings Flächennutzungspläne, Bebauungspläne, Denkmalkarten und sogar Karten von Kleingärten und Friedhöfen eingesehen werden. Über die Eingabe einer Adresse oder spezieller Suchobjekte wie Bezirke oder Ortsteile wird der gewünschte Kartenausschnitt bestimmt. Zu den Orten werden zusätzlich einige Eck-Informationen angegeben und eine Kontaktperson bei der Senatsverwaltung als Ansprechpartner für Fragen. An diese Kontaktpersonen dürfen hoffentlich auch Beschwerden gerichtet werden.

scheinschlag sucht

weiterhin Leute, die über Stadtentwicklung und Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik von oben wie von unten, Stadtentwicklungstendenzen, außergewöhnliche Kulturprojekte und den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion: fon 28599063, e-post info@scheinschlag.de

scheinschlag lädt ein

zum Offenen Redaktionstreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, dem 6. März 2004, um 14 Uhr statt.

 
 
 
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