Ausgabe 01 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Tschechische Altersweisheit


Foto: Promo

Wer sagt denn, daß alte Leute weise sein müssen und im Sessel sitzend auf ihr Ende warten? So denkt auch Fanda und vertreibt sich seine Pensionärszeit mit kleinen Schwindeleien. Er gibt sich als stinkreicher Heimkehrer aus Amerika auf der Suche nach einem Alterswohnsitz aus oder verkleidet sich als Fahrkartenkontrolleur. Ein alter Freund vom Theater macht da gerne mit. Nur Fandas Frau ist alles andere als begeistert. Sie möchte viel lieber ins Altersheim, damit der Sohn endlich mit seiner Freundin in ihre Wohnung ziehen kann. Aber Fanda denkt mit seinen knapp 80 Lenzen noch lange nicht ans Altenteil. Wenn da nicht der betrogene Immobilienmakler wäre, der ihm auf die Schliche gekommen ist und ein erkleckliches Sümmchen Entschädigung verlangt. Jetzt beginnen erst die Schwierigkeiten, die darin gipfeln, daß Gattin Emilie die Scheidung einreicht und Fanda Besserung gelobt. Doch Emilie ist dann mit einem zeitunglesenden Zuhausehocker alles andere als zufrieden und entdeckt, wie aufregend das Leben mit ein bißchen Nervenkitzel sein kann.

Mit Frühling im Herbst von Vladimir Michálek kommt eine melancholische Komödie in bester tschechischer Tradition in die Kinos ­ natürlich nur über Umwege diverser internationaler Festivals inklusive Preisvergabe. Die wunderbare Besetzung, allen voran Vlastimil Brodsky, hierzulande als Jakob der Lügner bekannt, in seiner letzten Rolle ist das Riesenpfund, mit dem der Film wuchern kann. Aber auch die anderen beiden Hauptdarsteller geben ihren Figuren soviel Ausstrahlung, daß die Geschichte beinahe nebensächlich wird.

Ohne Rührseligkeit erzählt Michálek davon, wie Würde und Lust am nur noch kurzen Leben sehr wohl zusammengehen können. Das Richtige für einen griesegrauen Wintertag.

Ingrid Beerbaum

> „Frühling im Herbst" ab 29. Januar im Kino

 
 
 
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