Ausgabe 01 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Bürgerbeteiligung und andere Umständlichkeiten

Neue Pläne und alte Ideen zur Umgestaltung des Alexanderplatzes

Schon heute gibt es nicht viel auf dem Alex. Nach der Wende wurde ein Großteil seiner Sitzmöbel ersatzlos entfernt, das Berolinahaus ist weiterhin ein ärgerlicher toter Fleck im Zentrum des Platzes – es ist nicht viel investiert worden in diese quicklebendige Leiche namens Alexanderplatz.

Jetzt darf man einen Blick in die Zukunft wagen. In einer Ausstellung im 12. Stock des Hauses des Reisens sind die Ergebnisse des Wettbewerbs zur Gestaltung der Freiflächen zwischen den geplanten Hochhausblöcken zu sehen. Vorausgegangen war ein Internetforum, das Ideen und Wünsche der Bürger als Inspiration für die teilnehmenden Architekten sammeln sollte. Vergleicht man jedoch die mit je 18000 Euro dotierten drei Arbeiten der Preisgruppe mit den geäußerten Bedürfnissen nach mehr Sport-, Grün- und Aufenthaltsflächen, so weiß man, daß die Bürgerbefragung nur eine Farce war. Die ausgewählten Arbeiten haben vieles und besonders die steinerne Einöde gemeinsam.

Zwar wagt das Büro Gerkan, Marg und Partner eine Sitzbank um einen U-Bahnabgang herum, bekommt diese aber flugs vom Preisgericht aus Sicherheitsgründen moniert. Die Stelenreihe des Büros Häfner/Jimenez aus Berlin mißt eine Höhe von gut zehn Metern, da kann niemand hoch und auch nichts passieren, gut. Sichtlich stolz auf seinen Bodenbelag ist das Büro AV1 aus Kaiserslautern ­ er besteht aus verschiedenen Polygonen und hört auf den Namen „Bernburger Mosaik". Zusammen mit ein paar Sitzhockern und Bäumchen soll daraus einer der attraktivsten Plätze Deutschlands entstehen, so die Architekten. Aber mancher Besucher wird von der künftigen Hochhauskulisse ohnehin so überwältigt sein, daß es gar keine Platzgestaltung mehr braucht. Viel Platz zum Gestalten wird es ohnehin nicht geben, denn die geplanten Hochhausblöcke verkleinern den heutigen Alex um fast die Hälfte.

Ob die schöne Tristesse von heute – für die Einen zugig und zu groß, für die Anderen ein Platz für jeden, unverkrampft und offen – verloren geht, ist noch nicht ausgemacht. Die Berliner Grünen werden nicht müde, das Gesamtprojekt anzufechten, und viele in PDS und SPD hoffen insgeheim, daß die Investoren das Ultimatum bis 2006 für den Baubeginn mangels Bedarf nicht einhalten. Dann soll der Bebauungsplan für nichtig erklärt werden. Der Entwurf des „Hochhausclusters" von Hans Kollhoff, für den der Alexanderplatz verbaut und seine Umgebung bis auf wenige Ausnahmen komplett abgerissen werden soll, ist mittlerweile zwölf Jahre alt und hat sich eigentlich überdauert. Statt Totalabriß stünden Überlegungen für eine behutsame Weiterentwicklung des Platzes an, und anstelle der Erweiterung des Kaufhofs, der demnächst um 27 Meter näher an den Brunnen heranrücken soll, könnte auch endlich das Berolinahaus saniert und an seiner häßlichen Brandwand in Richtung Kaufhof erweitert werden. Doch wieso einfach, wenn's auch umständlich geht ...

Carsten Joost

> Die Ausstellung „Alexanderplatz – Ergebnisse des freiraumplanerischen Wettbewerbs" läuft noch bis zum 3. Februar im Haus des Reisens, 12. OG, Alexanderplatz 5, Mitte, Mo bis Fr von 12 bis 19 Uhr

 
 
 
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