Ausgabe 01 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurznachrichten

champions league

Daß gute Bildung Geld kostet, weiß die Öffentlichkeit inzwischen sehr genau. Die Privatwirtschaft ist schlauer: Ihre optimistisch „Elite-Uni" genannte Kaderschmiede, die „European School of Management and Technology" nebst „Hertie School of Government", die ab 2005 im Staatsratsgebäude in Mitte Platz nehmen soll, könnte ein gutes Geschäft werden. Der Senat will die Immobilie für 65 Jahre gratis zur Verfügung stellen. Dazu muß er sie vom Bund erwerben, was ihn ­ obwohl in einem Grundstücktausch versteckt ­ offenbar ganze 13,2 Mio. Euro kostet. Viele Hochschulpolitiker vermuten, daß auch beim Ausbau des Gebäudes die öffentliche Hand einspringen wird. Und die Erfahrung mit anderen deutschen Privatunis zeigt, daß selbst der laufende Betrieb immer ein Zuschußgeschäft ist. Woher das Geld kommen soll, erfährt man auf der nächsten Seite.

freistoß

Bei der AG Gleisdreieck, die auf den ehemaligen Gleisanlagen südlich des Potsdamer Platzes einen Park durchsetzen will, knallen die Sektkorken. Nachdem der Senat als Verbündeter versagt hat, ist im Abwehrkampf gegen Autobahnplanungen, Hochhausträume und groteske Riesenräder endlich ein solventer Helfer in Sicht. Der Verein Baum e.V., der mit Geldern der Privatwirtschaft öffentliche Grünanlagen einrichtet, hat Interesse bekundet. Er will bis zu 70 Mio. Euro investieren. Auch ein Teil der geplanten Büroviertel stünde wieder zur Disposition. Diese Flächen waren den Profitinteressen der Eigentümerin, der bahneigenen Vivico, geopfert worden; Baum e.V. könnte nun versuchen, sie zu kaufen und zu begrünen. Die gute Nachricht kommt nicht zu früh: Am 6. März feiert die Bürgerinitiative Westtangente, die Vorläuferin der AG Gleisdreieck, ihren 30. Geburtstag.

eigentor

Um zu sparen, hat der Senat einen Zuschuß an die Verkehrsbetriebe von 17 Mio. Euro gestrichen. Damit fällt das Sozialhilfeticket von bisher 20,40 Euro weg und ­ es entstehen neue und mehr Kosten für die öffentliche Hand. Nur, daß jetzt die Bezirke zahlen müssen und nicht mehr der Senat. Und es wird alles viel komplizierter. Denn Fahrten, die über die 20,40 Euro hinausgehen, werden nun direkt vom Sozialamt erstattet. Wer arbeitet und zusätzlich Sozialhilfe erhält, als Sozialhilfeempfänger chronisch krank ist und zum Arzt muß, wer zu Bewerbungsgesprächen fährt u.ä., hat Anspruch auf Fahrtkostenerstattung. Die Sozialstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Kerstin Bauer (PDS) klagt, da sei es günstiger, den Leuten gleich eine Umweltkarte zu bezahlen. Zum 1. April werden auch das Senioren- und das Arbeitslosen-Ticket abgeschafft.

strafraum

Vor neuen No-Show-Areas für Lesben und Schwule warnt der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg. Eine No-Show-Area ist im Gegensatz zur No-Go-Area ein Gebiet, das diejenige Gruppe, der eine andere Gruppe das Leben schwer machen will, nur unerkannt betreten kann. Ein schwules Pärchen etwa darf nicht Händchen halten, eine schwarze Frau müßte eventuell einen rosahautfarbenen Ganzkörper-Gummianzug tragen. Als No-Go- oder No-Show-Area werden von Ausländern wie von Schwulen und Lesben noch immer Teile Ostberlins empfunden. Eine Hochburg für Ausländer ­ und für Homosexuelle war bislang Schöneberg. Dort aber häufen sich nun Übergriffe auf Schwule seitens arabischer und türkischer junger Männer. In das schwule Café PositHiv z.B. flogen solange Flaschen und andere Gegenstände, bis die Betreiber aufgaben. Droht den Homos die Vertreibung?

termine

> Um Terrorismus und das Verhältnis zwischen sozialer und sexueller Revolution geht es am 19. Februar um 19.30 Uhr in der Universität der Künste in der Hardenbergstraße 33: „the raspberry reich. die raf als queer porn". Es wird der Film the raspberry reich gezeigt, es diskutieren queer-porn-Regisseur Bruce la Bruce und die Schauspielerin Susanne Sachsse. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „marx' gespenster/RAF' gespenster".

> Seit 1998 schreibt Eike Stedefeldt im Ossietzky, dem Nachfolger der Weltbühne, die journalistisch-literarische Kolumne Kreuzberger Notizen. Vor kurzem kam unter dem Titel „Kreuzberger Notizbuch" eine Auswahl seiner Texte heraus. Am 24. Februar um 19 Uhr stellt der Autor in den Räumen des Jüdischen Kulturvereins, Oranienburger Straße 26, Mitte, sein Buch vor.

> Das Projekt „Schrumpfende Städte" der Kulturstiftung des Bundes und die Zeitschriften Arch+ und Domus loben einen Ideenwettbewerb „Schrumpfende Städte – Reinventing Urbanism" aus. Es geht um Städtebau in Städten, die keine Bauten mehr brauchen. Um dennoch zu vernünftigen Ideen zu kommen, sind nicht nur Architekten, sondern auch Bühnenbildner, Soziologen oder lokale Initiativen eingeladen. Informationen unter: www.shrinkingcities.com

scheinschlag sucht

weiterhin Leute, die über Stadtentwicklung und Stadtpolitik schreiben können und wollen: Bezirkspolitik, Stadtentwicklungstendenzen, außergewöhnliche Kulturprojekte und den gesellschaftlichen Wandel in Berlin. Bei Interesse wendet euch bitte an die Redaktion: fon 28599063, e-post info@scheinschlag.de

scheinschlag sucht

außerdem für die Ausstellung „Bildrepublik ­ 13 Jahre scheinschlag-Fotografie" Kontakt zu folgenden Fotografen: Thomas Dyballa, Kevin Foy, Frau Stäglich, Uwe Gottschling und M. Zacher. Bitte meldet euch in der Redaktion oder bei: renate@scheinschlag.de

scheinschlag lädt ein

zum Offenen Redaktionstreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, den 7. Februar 2004, um 14 Uhr statt.

 
 
 
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