Ausgabe 01 - 2004 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Erneuter Streit um Palastnutzung

Der Palast der Republik wird besetzt! Doch leider nicht nur – wie in der Nacht zum 24. Januar geschehen – von aufgebrachten Studenten, sondern von einer Armee tönerner Spielzeugsoldaten. Das Bundesvermögensamt, derzeitiger Inhaber des einstigen Kulturpalastes, hat bis Ende Juli eine Dauerausstellung in den imposanten Rohbau gebucht. Die Erfurter Firma Terra Präsenta ist mit ihrer Geschäftsidee, 1000 Tonkopien der berühmten chinesischen Grabsoldaten auf Wanderschaft zu schicken, nun ganz vorn. Erheblich zurückgesetzt fühlt sich der Verein Zwischenpalastnutzung. Der hatte für den 14. Januar einen Termin, bei dem ein hochrangiges Gremium über das geplante Kulturprogramm des Vereins entscheiden wollte. Nur wenige Tage vorher entschied sich das Bundesvermögensamt für die Tonarmee. Dadurch bleibt dem Verein bis zum geplanten Abrißbeginn im Frühjahr 2005 abzüglich der Ausbauarbeiten und der nächsten Winterpause – der Bau ist derzeit unbeheizbar – nur ein Monat Spielzeit übrig.

Die erschwerenden Auflagen für den Verein galten für die Erfurter nicht. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung der beiden Bewerber veranlaßt den Verein nun, juristische Möglichkeiten prüfen zu lassen. Ursprünglich war ein Freigelände für die Ausstellung der Tonsoldaten vorgesehen. Ein solches als Alternativstandort anzubieten, wäre jetzt eine sinnvolle Aufgabe des Senats, findet der Zwischenpalastnutzung e.V.

Hier fügt sich ein weiterer Baustein in eine skandalöse Abrißgeschichte. Im Juli 2002 stimmen die Bundestagsabgeordneten gerührt für das „Humboldt-Forum" mit Schloßattrappe – wenige Wochen später stellt sich heraus, daß trotz anders lautender Planungen die Landesbibliothek, der Garant für einen öffentlichen Nutzwert, mangels Flächen aus dem Konzept rausfällt. Die „Stiftung preußischer Kulturbesitz" wäre fast alleiniger Nutzer des Schlosses. Ein Jahr danach beschließt der Bundestag den Abriß des Palastes für 20 Millionen Euro. Daß die Summe sich leicht verdoppeln könnte, ist zufällig erst nach der Abstimmung bekannt geworden. Ironischerweise könnte mit diesem Geld ein großer Teil des Palastes wieder als dauerhafter Veranstaltungsort ausgebaut werden. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Carsten Joost

 
 
 
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