Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Musik für die Massen: Besser-Menschen

Auf dem Titel des letzten Geo-Magazins prangt in großen Lettern die Frage: „Macht Musik die Menschen besser?" Was für eine Frage! Natürlich – hört man sich zum Beispiel durch die neue Doppel-CD von B. Fleischmann, so ist das wie ein Bad in sanfter See: Umspült von plätschernden Wellen aus harmonischen Elektronika, deren Schaumkronen mal aus Pianoläufen, dann wieder von melancholischen Jazz-Bläsern bestehen, versinken alle Erinnerungen an den grauen Alltag im Meer des Vergessens. Am Ende steigt man geläutert und entspannt aus dem Klangbad. Welcome Tourist (Morr Music) heißt das wundervolle Werk. Vor allem die zweite der beiden CDs ist um dieses Phänomen herum inszeniert: ein 45-minütiges Stück, das eine einzige Aufforderung zum Treibenlassen unter dem Titel „Take Your Time" ist. Sollte die Kraft der Musik allein zur Besserung der Hörer nicht ausreichen, eröffnet die erste CD mit einem Zitat von Henry D. Thoreau aus dem Essay „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat" und spendiert so noch ein wenig anarchistisches Gedankengut. Nun können solche Polit-Samples durchaus bemüht und eklektizistisch wirken. Hier rettet die warme Stimme von Helmut Qualtinger, der das Missionarische mit österreichischer Nonchalance zum Verschwinden bringt.

Komplett unter dem Zeichen des Laissez-faire und von politischen Verstrickungen losgelöst, surft der Kalifornier Steven durch ein relaxtes Sound-Universum. Beim Hören von Future Home of Burbank Elks (Kitty-Yo) stellt sich das Gefühl ein, daß sich der Laser im CD-Player um kuriose Kurven-Diskussionen wickelt, bevor er irgendwelche Signale an die Außenwelt weitergibt. In einer Mischung aus Song-Writer-Lässigkeit, die direkt ins hypnotische Nirwana führt, und wärmster Keyboard-Entspanntheit, kann diese Scheibe bei Streß und Überforderung als alternatives Heilmittel angewendet werden.

„Das ist gut so wie es ist ..." so beginnt der letzte Track auf einer CD mit dem Titel Klisten (Klangkrieg). Was am Anfang wie eine A-cappella-Beschwörung des oben erwähnten Geo-Titels wirkt, wächst zu einer verschachtelten Instrumental-Türmung der feineren Art an: Gitarre, Harfe, Maultrommel, Glokkenspiel und wahrscheinlich noch zig andere Instrumente hat der Berliner Guido Möbius für seine Aufnahme in serieller Manier und auf höchsten Niveau zusammengeführt. Das Tolle an Klisten ist aber die Leichtigkeit, die wie ein ständiger und gutgelaunter Begleiter die Komplexität der einzelnen Tracks umspielt. Von Angestrengtheit und Langeweile keine Spur.

Marcus Peter

„Klisten" von Guido Möbius ist über: www.klangkrieg-produktionen.de zu beziehen

 
 
 
Ausgabe 10 - 2003 © scheinschlag 2003/04