Ausgabe 10 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Bald legal?

Die Bauordnungsreform birgt neue Chancen für Wagenburgen

Der Optimismus, mit dem die Aktivisten der Wagenburg „Platz B" nach ihrer „Camping-Aktion" vor dem Rathaus Mitte den Verhandlungen mit dem Liegenschaftsfonds entgegensahen (siehe scheinschlag 9/2003), ist mittlerweile wieder der Ernüchterung gewichen. Ein Gesprächstermin mit dem Liegenschaftsfonds kam trotz einer entsprechenden Aufforderung von Mittes Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) bisher nicht zustande. Stattdessen wurden die Rollheimer im Anschluß an ihre Aktivitäten erneut mit polizeilicher Repression konfrontiert – so endete ein Frühstück auf einem Parkplatz mit der Beschlagnahmung von Tischen und Stühlen.

Foto: K. Hildebrandt
Foto: Knut Hildebrandt

Es braucht wohl politischen Druck von Seiten des Senats, um jene Grundstücke und Gebäude, die mittelfristig vom Liegenschaftsfonds nicht verwertet werden können, zwischennutzen zu können. Es gibt hier eine Menge Flächen, die derzeit nur Geld kosten. Ein breites Bündnis verlangt, sie Initiativen und Projekten ­ gegen Zahlung der Betriebskosten ­ zu überlassen.

Inwieweit SPD und PDS hierbei auch die Wagenburgen unterstützen würden, dürfte auch aus dem Entwurf für eine Reform der Berliner Bauordnung abzulesen sein. Der sollte von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eigentlich Anfang November vorgelegt werden. Bisher sind Wagenburgen in der Berliner Bauordnung nicht vorgesehen und deshalb nicht genehmigungsfähig. Jeder Nachbar hat somit gute Chancen, die Räumung einer Wagenburg gerichtlich durchzusetzen.

Die Wagenburg-Aktivisten versuchen daher derzeit, politischen Druck aufzubauen, um Legalisierungsmöglichkeiten für Wagenburgen festzuschreiben, und gaben bei Anwalt Moritz Heusinger ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dieses bejaht zunächst einmal die baurechtliche Genehmigungspflicht von Wagenburgen und folgt hierbei der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Berlin in seinem jüngsten Urteil gegen die Wagenburg „Schwarzer Kanal". Da aber in der Bauordnung bestehende Genehmigungsspielräume ­ so z.B. im Rahmen der „Campingplatzregelung" ­ als zu eng angesehen werden, schlägt Heusinger die Schaffung eines eigenen „Wohnwagengesetzes" außerhalb der Bauordnung vor.

Das Rechtsgutachten beschäftigt sich zudem mit dem auf Bundesebene angesiedelten Bauplanungsrecht, welches neben dem Berliner Bauordnungsrecht die zweite Hürde für die Wagenburgen darstellt. Heusinger vertritt die Auffassung, daß im Bauplanungsrecht durchaus Möglichkeiten einer Schaffung von „Sondergebieten" für experimentelle Wohnformen vorhanden sind. Hier gelte es, durch formale Bebauungspläne eine langfristige Nutzung von Grundstücken durch Wagenburgen zu sichern. Das läßt hoffen. In Berlin sind die Bezirke für die Bebauungspläne zuständig, und einige zeigen sich gegen-über dem Leben im Bauwagen durchaus aufgeschlossen.

Vorrangig ist jedoch, daß die Wagenburgen in der reformierten Bauordnung oder per Sondergesetz als zulässige Wohnform anerkannt werden. Nachdem im Sommer erste Inhalte des Reformvorhabens aus der Senatsverwaltung durchsickerten, erhob sich vielstimmiger Protest. Seitdem ist man im Hause Strieder sorgsam darauf bedacht, keine Informationen mehr an die Öffentlichkeit zu lassen. Da aber die Veröffentlichung des Reformentwurfs schon überfällig ist, wird demnächst zu erfahren sein, was PDS und SPD jenseits aller Lippenbekenntnisse wirklich von „alternativen Lebensformen" halten. Vielleicht gibt es für „Platz B" und die anderen Wagenburgen in Berlin ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art ...

Thorsten Friedrich

 
 
 
Ausgabe 10 - 2003 © scheinschlag 2003/04