Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Grabinschriften für alle Fälle

Hier ruh' ich aus von meiner Erdenplag' / Mich kann kein Hoffen mehr betrügen. / Und kommt dereinst der Auferstehungstag, / Ich rühr' mich nicht, ich bleibe liegen.

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Hier liegt Hans Kalb, der junge, hier, / Ohn' Ochs zu werden oder Stier. / Er starb als Kalb in der Jahre Lenz / Infolge zu großer Korpulenz. / Der in der Gruft / Erst Nutzen bringt, / Er düngt!

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Hier liegt Franz X. Amman / der der italienischen, französischen und englischen Sprache / vollständig mächtig war.

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Hier ruht / die ehr- und tugendsame Jungfrau / Genovefa Roggenhuberin, / betrauert von ihrem einzigen Sohne.

Keinen Schuß Pulver wär das Leben wert, / wenn es den Tod nicht gäbe.

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Gottlob, der ist gut weg, sagst du mir. / Gottlob, der ist gut hin, sagen sie dir.

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Ein Mann von sechzig Jahren ward in dies Grab gesetzt; / Er ward zur Welt geboren, aß, trank, schlief, starb zuletzt.

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Nach langer, schwerer Krankheitszeit / Hast Du nun endlich ausgerungen, / Beklagt von meiner Wenigkeit / Und 51 Jungen.

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Scherzweis hüpfte dieser Greise / Allhier auf dem Eise, / Als der See einbrach, da war / Es mit seinem Leben gar.

Christliches Andenken / an den Schuster Blasius Obermüller, / der am 31. Oktober 1861 schwer gesoffen / durch einen Sturz vom Fenster / herunterfiel und ungeschädigt blieb.

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Hier ruht Hans Kasper, Grobian, / Ein Klotz, wie's keinen geben kann! / Läg er nicht ohne Hut im Grab, / Er zög ihn selbst vor Gott nicht ab!

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Zuerst schrieb er, wie echte Kunst es lehrt, / Dann wollte von der Kunst er leben; / Jetzt ist er todt, doch seinen Geist / Hat er schon früher aufgegeben.

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Hier ruht Theresia Feil, / Sie starb in aller Eil', / Von Heustockshöhe fiel sie herab, / Sie fiel in eine Gabel / Zum großen Lamentabel / Und fand darin ihr Grab.

Hier ruht der Brauersepp, / Gott Gnad für Recht ihm geb! / Denn viele hat, was er gemacht, / Frühzeitig in das Grab gebracht. / Da liegt er nun, der Bierverhunzer, / Bet, o Christ, fünf Vaterunser!

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Hier ruht mein teures Weib / in dieser Grabeshöhle. / Wir waren oft ein Leib, / aber niemals eine Seele.

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Wer weiss schon ob unser Leben nicht ein Tod und unser Tod ein Leben sei

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Ich war auch ein Mensch, sagt der Staub, / Ich bin auch ein Geist, sagt das All.

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Ihr half kein Arzt, / ihr half kein Tee; / drum ging sie in die Himmleshöh'.

Neun Worte und nicht mehr / soll dieses Grabmal haben: / Hier unter diesem Stein / liegt Durst und Gicht begraben.

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Der Tod macht net viel Federlesen, / Ubikugelt, hingewesen! / 's Leben ist ein großer Mist! / Gelobt sei Jesus Christ!

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Hier liegt J. M. beider Gerichte Weibels / ehr- und tugentsame Hausfraw, / gest. am 3. M. 1770, / nachdem sie zuvor ihre 14 ehelichen Kinder / in die Ewigkeit geschickt hatte.

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Du stehst noch hier / und ich bin hin. / Bald bist du dort, / wo ich schon bin.

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Weine nicht, lieber Mann, / Nimm dir eine and're an.

Des Richard Lohmanns Seele fleuchte;/sein Tod gar seltsame Ursach' zeigte./Er hatte an Hühneraugen zu leiden/und nahm das Messer her zum Schneiden./Das Messer glitt ab, die Zehe verschwand/und bald eine heftige Eitrung entstand./Der Fuß war bald ganz blau und rot,/das war der Grund von Richards Tod.

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Hier ruht Herr Tobias Mair,/Bürgerlicher Metzgermeister/und seine noch lebende Gattin.

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Er starb zum größten Leidwesen/seiner Gemeinde eines seligen Todes.

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Quis eras, quis es, quis eris?

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O ewich is so lanck!

Hier ruht der Gruber Florian/der hat ein Leid sich angetan/indem er heftig sich erschoß/was hinterher ihn arg verdroß.

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Daß ich gestorben bin,/Das weißt du; Ob ich im Himmel bin,/Das fragst du./Nicht sterben, aber im Himmel sein,/Das willst du.

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Von dem Eck da drüben/Sind schon elf Leut verschieden./Sei so gut und mach das Dutzend voll!/ Hoch Tirol!

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Hier hat Gott den Alois Steiner/vom Zeitlichen ins Ewige übersetzt.

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Hier ruht der liebe Arzt, Herr Frumm/Und die er heilte ringsherum.

Ich leb', weiß nit, wie lang,/Ich stirb und weiß nit, wann,/Ich fahr, weiß nit, wohin,/Mich wundert, dass ich fröhlich bin.

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Hier liegt der Förster Rupert Huß,/er starb an einem Büchsenschuß,/der auf der Jagd von ohngefähr/ ihn hat getroffen folgenschwer./Zum Glück konnt man ihn noch verstehn:/Gott laß ihn fröhlich auferstehn!/Ich nannt' ihn oben Rupert Huß,/um hinzuweisen auf den Schuß,/doch hieß er in der Tat Franz Leim,/das aber paßte nicht zum Reim./Was hätt ich mit dem Leim gemacht?/Wie hätt den Schuß ich angebracht?/An dem er doch verschieden ist/als Jägersmann und guter Christ.

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Hier ruht Michael Wisner/und zwar nur/bis zum Tag der Auferstehung.

aus: „Hier liegen meine Gebeine, ich wollt' es wären Deine. Grabinschriften für alle Fälle", gesammelt von Enno Hansing, Verlag Peter Kurze, Bremen 1996

 
 
 
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