Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ohne Konzerne geht in Zukunft nichts mehr

Ein Globalisierungs-Thriller von Max Barry

In Deutschland sollen Kranke ab 2005 für ihren Arztbesuch bezahlen. Konzernkindergärten und -universitäten existieren schon heute. Naomi Klein schilderte bereits die Auswüchse von globalisierten Produktionsmethoden und Michael Moore den Wahnsinn der amerikanischen Waffenlobby NRA – das alles zusammengewürfelt, ergänzt um einige Handlungsträger und garniert mit ein paar Überspitzungen, ergibt den Globalisierungs-Thriller Logoland von Max Barry.

Nur ein paar Jahre in die Zukunft projiziert, entwirft Barry eine Welt, in der der Staat quasi aufgehört hat zu existieren. Im erweiterten Staatsgebilde der USA, zu dem inzwischen auch Rußland und Australien gehören, haben Firmen die Macht übernommen. Individualisierung nervt, deshalb tragen die Menschen statt des Nachnamens den Namen ihres Konzerns. Positiver Nebeneffekt: Arbeitslose und andere Subversive sind leicht am fehlenden Nachnamen zu erkennen. Die Schulen sind privatisiert. Die hippen Bildungseinrichtungen gehören den lässigen Konzernen der Mikroelektronik oder der Sportindustrie. Die uncoolen gehören Fastfoodketten, deren Firmenlogo unvorteilhaft und unübersehbar auf den Schuluniformen prangt.

Dieser neuen Ordnung der Dinge entsprechend stehen auch den Marketingabteilungen vollkommen neue Möglichkeiten offen. So beschließen zwei Marketingangestellte von Nike, einem 2500 Dollar teuren Sneaker ­ der in der Herstellung 85 Cent kostet ­ etwas Street-Credibility zu verschaffen: Sie wollen bei dessen Markteinführung ein paar Teenager erschießen lassen. Mit dem Coup beauftragt wird Hack Nike, ein untergeordneter, etwas naiver Vertriebsangestellter. Der wiederum geht zur Polizei, die sich inzwischen zur vielgestaltigen Dienstleistungsbehörde entwickelt hat. Die übernimmt die Ausführung gegen Bezahlung und schaltet die amerikanische Waffenlobby NRA als Subunternehmerin ein. So weit, so gut, wäre da nicht Jennifer Government, die noch eine offene Rechnung mit Nike und außerdem die Schnauze vom Konsumwahnsinn gestrichen voll hat. So wächst das Ganze zu einer geradezu apokalyptischen Schlacht zwischen den weltgrößten Konzernen und den Überbleibseln des US-amerikanischen Staates aus.

Die Absurdität der Welt der Megakonzerne von morgen in eine punkige Satire zu verpacken, ist aufgrund des hohen Trash-Faktors durchaus kurzweilig. Allerdings bleibt dabei die Ausgewogenheit der Charaktere auf der Strecke: Die Guten sind gut ­ und ein bißchen naiv. Die Bösen sind böse ­ und ziemlich durchtrieben und natürlich völlig machtgeil. Das war's dann aber auch schon. Das Ganze liest sich wie ein Comic oder ein rasantes Drehbuch ­ dachte sich wohl auch George Clooney, der sich fix die Rechte an dem Buch gesichert hat. Steht zu befürchten, daß dabei der Humor einem krassen Actiongeballere weichen muß ­ aber so sind sie nun mal, die Gesetze des Marktes. A propos Markt: Max Barry hat, bevor er Romane schrieb, für Hewlett-Packard gearbeitet, bis ihm beim Platzen der New-Economy-Blase gekündigt wurde ...

Marcus Peter

* Max Barry: Logoland, Heyne Verlag. München 2003. 12 Euro.

 
 
 
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