Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Dienstleistungsmetropole Berlin

Die Stadt der Werber und Filmleute?

Nachdem die Presse in zahlreichen Städtevergleichen den Auf- und Abstieg Berlins beschrieb, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nun eine tatsächlich relevante Studie zu den wichtigsten deutschen Großstädten unter besonderer Berücksichtigung Berlins herausgebracht. Dabei kommt zunächst einmal nichts bemerkenswert Neues heraus: Berlin ist im Vergleich zu den größten anderen Städten wie München, Köln, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart beim Wachstum der Beschäftigung, das sich besonders im letzten Jahrzehnt wieder in Ballungszentren konzentriert, absolutes Schlußlicht. Genau genommen ist Berlin sogar die einzige Metropole, die in den letzten Jahren einen Rückgang der Beschäftigung zu verkraften hatte, was in dieser Stadt sicher niemandem entgangen sein wird.

Besonders wichtig für das Beschäftigungswachstum sind bestimmte überregionale Dienstleistungen in Bereichen wie Finanzen, Wirtschaft, Tourismus sowie Medien und Kultur. In den meisten dieser Branchen sind Unternehmen und Arbeitsplätze in den vergleichbaren westdeutschen Städten fest verankert; Berlin braucht sich also keine Hoffnungen zu machen. Nun aber die Überraschung: Bei Werbung, Film und Fernsehen, Verlagswesen und Hotels kann Berlin mit deutlichen Wachstumsraten in der Beschäftigung aufwarten. Dabei sind diese insbesondere bei Werbung und Filmindustrie mit 95 Prozent beeindruckend (Vergleich 1998 zu 2002).

Dabei handelt es sich aber natürlich nur um Zuwachsraten, die aufgrund des sehr geringen Ausgangsniveaus der neunziger Jahre in Berlin zustande kommen. Dem Kulturbereich und der Wissenschaft schreibt das DIW eine hohe Bedeutung für die Ansiedlung und damit Schaffung weiterer Jobs z.B. in der Werbung und dem Mediensektor zu. Aber gerade im Bereich traditioneller kultureller Einrichtungen wie Museen, Theater usw. konnte Berlin kein Beschäftigungszuwachs erreichen ­ im Gegensatz zu anderen Großstädten, die bis zu 20 Prozent Wachstum aufweisen. Daß in den Universitäten in den nächsten Jahren hunderte wissenschaftliche Arbeitsplätze sowie tausende Studienplätze aufgrund des Sparzwangs gestrichen werden, verspricht auch keine rosige Zukunft.

Was das DIW nicht untersucht hat, sind die Folgen, die für bestimmte Stadtviertel durch die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen ­ wie Werbeagenturen und Medienhäuser ­ und deren Mitarbeiter entstehen: Steigende Mieten und die Verdrängung der bisherigen Wohnbevölkerung sowie ein völliger Wandel bzw. das Verschwinden von Einzelhandel und bestimmten Kulturbereichen, die ohne niedrige Mieten nicht existieren können. Dies gilt besonders für den Bezirk Mitte, aber auch andere trendige Quartiere in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg stehen unter diesem Veränderungsdruck. Standort von trendsetzenden Agenturen und Büros zu sein, hat also nicht nur Vorteile. Vielleicht ist es dann doch besser, wenn Berlin sich mit der Entwicklung zur angesagten Dienstleistungsmetropole noch ein wenig Zeit läßt.

Dirk Hagen

 
 
 
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