Ausgabe 09 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Irrsinnskonstruktion Bankgesellschaft

Die halbherzige Aufarbeitung des Skandals

Foto: Knut Hildebrandt

Bankenskandal? War da was? Zumindest ein Menge Prozesse gegen die Ex-Manager, die nun reihenweise verloren gehen. Und das wohl nicht ganz zufällig. Zwar leistete sich die klagende Bankgesellschaft die teuersten Anwälte, doch waren diese offenbar nicht willens, trotz Aufforderung des Gerichts die Vorwürfe zu konkretisieren – so im Fall Landowsky geschehen.

Ebenfalls eingestellt wurden die Untreue-Ermittlungen zum Gardelegen-Promi-Fonds, obwohl die Bankgesellschaft die leerstehenden Objekte selbst angemietet hatte, um die Rendite der 144 Banker und Politiker zu sichern. Auch der Prozeß gegen den Hauptstrippenzieher des Immobilienbereichs, Manfred Schoeps, ging verloren. Die Prozesse gegen die Ex-Aubis-Manager Wienhold und Neuling, zwei Schlüsselfiguren des Bankenskandals, wurden erneut verschoben.

Da es für die Bank so „schlecht" lief, erhöhte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) prompt die Bezüge der Aufsichtsräte von 4500 Euro auf 15000 Euro. Begründung: Es werde verstärkt an der Aufklärung des Bankenskandals gearbeitet.

Auf 156 Leitz-Ordner sind die Ermittlungsakten mittlerweile angewachsen, die Wirtschaftskammern des Landgerichts sind jedoch völlig überlastet. Ein Prozeßbeginn ist nicht absehbar. Das freut die Angeklagten: Denn sollte sich das Verfahren weiter in die Länge ziehen, muß nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs das Strafmaß reduziert werden. Im Tagesspiegel brachte es Oberstaatsanwalt Brocher auf den Punkt: „Wenn sich am Landgericht nichts ändert, sind die Ermittlungen zur Bankgesellschaft insgesamt sinnlos." Deutlicher kann eine Kritik nicht ausfallen.

Peter Grottian von der Initiative Berliner Bankenskandal formuliert es gegenüber dem scheinschlag noch pointierter: „Die Justiz vollzieht das nach, was Politik und Ökonomie an Vertuschung vorgemacht haben. Sie ist im bürgerlichen Staat eben nicht unabhängig und freischwebend. Das bedeutet, das Justizsystem hat im Grunde genommen ein Entschuldungssystem etabliert, um keinen Bankmanager in irgendeiner Weise zu bestrafen." Stattdessen zahlt die Bank fleißig Pensionen an ihre entlassenen Ex-Manager, im vergangenen Jahr allein 1,9 Millionen Euro.

Der Komplex Immobilienfonds ist zwar durch den Banken-Untersuchungsausschuß weitgehend aufgeklärt, Folgen hat das aber keine. Zwar hält Barbara Oesterheld (Grüne) die Belege für ausreichend, um einen Prozeß gegen Schoeps erfolgreich führen zu können, um dann aber einzuschränken, daß er „sauber" vorbereitet sein müsse. Es bewahrheitet sich nun die Kritik der Banken-Initiative, die frühzeitig vor einer ausschließlichen Konzentration auf die strafrechtliche Aufarbeitung gewarnt hatte. Denn selbst bei der Verurteilung der Ex-Manager wären die Strafgelder im Verhältnis zur Risikobürgschaft Peanuts. Die Forderung der Banken-Kritiker lief von Anfang an auf eine Reduzierung der marktunüblichen Renditen und Garantien für die Fondszeichner hinaus. Eine Forderung, die der Senat konsequent ignorierte; der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Frank Zimmermann (SPD) hielt sie immerhin für diskutabel, ohne sie aber jemals ernsthaft prüfen zu lassen.

Zugleich führte der Senat die Verschleierungstaktik fort. Niemand kennt den tatsächlichen Zustand, in dem sich die Bankgesellschaft befindet. Dabei könnten die Tage der skandalgeschüttelten Gesellschaft gezählt sein. Seit Anfang Juli läuft das Volksbegehren der Initiative Berliner Bankenskandal. Unter dem Motto „Schluß mit dem Bankenskandal" soll erstens das Risikoübernahmegesetz aufgehoben und zweitens die Bankgesellschaft entflochten und kontrolliert in die Insolvenz geführt werden. Für die Spar- und Girokonten der Privatkunden soll dabei das Land haften. Die Sparkasse soll zudem als Anstalt des öffentlichen Rechts wiederhergestellt werden.

Leichfertig ist die Initiative diesen Schritt nicht gegangen. Immerhin hatte der Senat über ein Jahr Zeit, die Fonds nachzuverhandeln und selber Schritte der Entflechtung der „Irrsinnskonstruktion Bankgesellschaft" (Sarrazin) einzuleiten. Pikanterweise könnten die Auflagen des EU-Wettbewerbskommissars Monti, der die Risikoübernahme durch das Land Berlin als Beihilfe genehmigen muß, genau darauf hinauslaufen. In Brüssel sickerte bereits durch, daß bei einer EU-Entflechtung nur die Sparkasse übrig bliebe. Dagegen verfällt Wirtschaftssenator Wolf am liebsten auf Panikmache: 30 Milliarden Euro seien bei der Insolvenz sofort fällig. Belegen kann er das zwar nicht, dafür muß er sich nicht für die eigenen Versäumnisse rechtfertigen.

Dabei geraten die Fonds mittlerweile von ganz unerwarteter Seite unter Druck. Von den Fondszeichnern selber. Denn trotz Risikoübernahme sind einige Fonds praktisch zahlungsunfähig. Mittlerweile klagen viele Anleger gegen die Bank und würden selbst einen Vergleich akzeptieren. Es ist nur zu hoffen, daß das Volksbegehren ein Erfolg wird. Wenn nicht, wäre das ein Schlag gegen die gesamte außerparlamentarische Bewegung in Berlin, die sich gegen den wahnwitzigen Sparkurs des Senats neu formiert. Denn schließlich steht die Bankgesellschaft symbolisch für die Senatspolitik der letzten Jahre: Gewinne werden privatisiert und Verluste werden sozialisiert. Aktuell wird es bei den in der gleichen „Irrsinnskonstruktion" teilprivatisierten Wasserwerken versucht. Um dem privaten Investor die Rendite zu sichern, sollen nicht nur die Wasserpreise ab 2004 um 15 Prozent steigen, sondern das Land will außerdem jährlich auf über 50 Millionen Euro Konzessionsabgabe verzichten. Und das, obwohl dafür keinerlei Notwendigkeit besteht.

Birger Scholz

Bisher wurden erst die Hälfte der nötigen 25000 Unterschriften gesammelt. Wer unterschreiben will oder selber aktiv werden möchte, erhält die Unterschriftsbögen von Hans-Jürgen Lindemann (fon 0171/8182607), Samirah Kenawi (fon 0179/2983218) oder Renate Heitmann (fon 030/8256853). Informationen unter www.berliner-bankenskandal.de, Kontakt über buero@berliner-bankenskandal.de

 
 
 
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