Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

standortbedingungen

1 osthafenkräne. die speicher davor in medienhand. glühlampenfabrik. die gebäude umgenutzt zu bürowaben für kreative. mediengelände. bunte bienen. eine privathochschule für gestaltung. ein park für pixel. ein eierspeicher für universale musikrechtevermarktung. ein hafenarsenal für den musikfernsehsender. dreikäsehoch die lochplastik, schreitender flachmann mit nassen füssen, gehobene kunstkulisse. ein gelände zum ostbahnhof hin für den unterhaltungsunternehmer. eine arena demnächst, nach amerikanischer bauvorschrift. die abfahrten zu tiefgaragen, darüber sichtachsen, nicht zu vergessen die mauerreste, am ufer entlang. ornament & vermarktung. liegestühle am ufer. fruchtcocktails benippende randlossonnenbrillenträgerinnen blinzeln sich an. eine plastik aus absperrstücken und einkaufswagen, zur halde getürmt, weissrote effekte vor himmelblau, schwenk zur fassade, darin spiegelnd das backsteinrot, sonnenflirt. schmiergelockte hüfthosenträger an flaschenbiere geschmiegt. verträge auf den lippen. lichtzeichen gebende schnurlostelefone auf den tischen, immer absprachebereit, stummes läuten. hart erarbeitete lässigkeit, genussmittelsatt. informeller kapitalismus, die fortsetzung der designagenturen der achtziger mit den barmitteln globaler unternehmen, verhüllt im schnodderton gestresster wärtertypen, die nur tun was zu tun ist, nichts dafür können. kaum was in den taschen dieser vollstrecker: gerade genug, die nase vollzubekommen. erbenkultur. osthafengelände. das nuscheln der mitschwimmer, als gäben sie richtung. das tuscheln der absaufer, die augenblicksläuterungen bis zum nächsten spiel. darüber helikopterkreisen.

2 rundflugschneisen über den schöpfen, attraktion & ornament. der historistische brückenbau, hochbahn in gelb im tunnel über der spree, zitierte zollgrenzanlage vor abgeblendetem abendlicht. das ganze ein irgendwie hanseatisches implantat, mit geparkter mobilität aus den bayerischen motorenwerken. manchmal auch modena, manchmal mailand. die leute haben nur zufällig die richtigen sachen an, als hätten sie sie aus der altkleidersammlung gezogen. die leute haben nur zufällig den richtigen satzschaum vorm mund, als hätten sie den aus verramschten popgroschenromanen gezogen. gleich drüben die nachwuchszone, zwischen döner & pammukalebrunnen. urbane dialoge in den leerstehenden läden, schnellkunst zum mitnehmen, studentenbudenulkschmuck & totems für minderdenker. plattenteller in jedem einstigen küchenstudio, leuchtschrift aufn kopf & die stühle raus, dann noch den bildwerfer gegen die wand, zum ollen klamauk gucken. omas apfelkucheneis und omas wohnzimmeratmosphäre, leicht ramponiert, macht gemässigten untergrund, ein muss für den dumonttouristen. hinterm historischen omnibusdepot, weitere arena kaum einen kilometer entfernt, dann was noch fehlt. reggaedienichaufmann. hosen und strauchköpfe in permanenter zurücklehnung. immer was zu kaufen da. und locker bleiben. überall dazwischen die ausgemarkteten, schleicher in verkommenem putz, sowas wie würde spazieren tragend, da & da als hingucker verstreunt, hast du gesehen der da im kunstpelz mit den trauben hinter den ohren, die da ohne zähne im maul auf knickrigen stöckeln? wind auch dazwischen, die patrouillen des wachschutzes rund um die backsteinblöcke von narva das einmal osram war, anti-grafitti-kräfte, nebenbei unter den bögen der hochbahn die hopskatakomben, kleinwagenladungen aus brandenburg in die schlangen verklappt, neben denen beschauer lümmeln. anbieter von mitteln oder abgreifer von warenfähigen körperoberflächen, jede menge spass auf den lippen. kontaminierte gelände. darüber helikopterkreisen. das sirenengeheul vorbei jagender überfallkommandos, vergitterte schutzmacht eines ruinierten gemeinwesens, putzig der bär als aufnäher am arm. die blondbezopften vollzugsbeamtinnen in den schlechtsitzenden uniformen als letzter tagtraum vom einfachen glück, bis sie zu sprechen beginnen. selbst am abend noch die dumonts die tappsen im erlesenen wissen, die formen die namen der stationen im mund wie herzen aus sand. ein himmel auf den brücken.

3 ein kiez beim durchsacken lassen richtung talsohle. auf dem s-bahnhof warschauer strasse die letzten kontingenzvietnamesen, schläfrig kauernd unterm zigarettenversteck, unterm wellblech der abgänge. daneben verlagsparias: alle paar meter steckt dir einer hiesigen schmierstoff zu, nimm und behalts für zwei wochen kostets nix kommt freihaus, sozusagen als minifonds aus den blattwäldern. alle paar stunden klingelt einer durch die leitung & will flink mal umfragen machen, also was denkst du übern soli oder was zu den steuern dieses jahr, fandest du es warm diesen sommer oder wann hast du dein letztes haus gekauft? korrekt fragen dich die schlurfjungs mit den hunden, ob du mal fuffzich zent für sie hast, währungsberichtigt. oder die schwäne über der modersohnbrücke, ostbahnwärts. glänzend der quader aus glas überm narvarumpf, da hocken und die flasche nicht aus der hand, ob du knutscht oder fingerst. halbstundenverspätet die regionalexpresse raus ins fascholand, helikopterkreisen, immer sirenengeheul von irgendeiner hundertschaft beim fehlalarm, urbane dialoge führend. dazwischen die schwäne, verirrt. knirschend und knackend die scherben unterm schuh, zettelwerk an allen säulen, wo die party steigt. manchmal siehst du hin, wenn einer ins leere um sich schlägt. durchsacken lassen, verebbende randale, mattes wegtreten. basislager schultheiss gegen hochparterre staropramen, die letzten die malochen gehen nehmen sich thüringer rosenbräu, wenns einer kennt.

4 osthafengelände. dreharbeiten in den pausen, immer dieselben cateringkutschen, plexiverglaste posttransporter mit sitzecke statt paketverzurrung im fond, da das warten das filmen heisst, abfeiern oder abbummeln je nach bekanntheit der fratze, nähe zum pott. hingehäckselte stories, polierte fassaden, serienblender für die provinzpotatoes, alles gelangweilt hingerotzt, schnöselpop, immer auf abgreife, wer fickt wen, wohin. und nie zu früh schlafen gehen. netzwerkeln oder auf urlaub sein. rotten bis das gesicht kommt, erbrechen von typen, ziege hier dreadlocks da, flockig gehalftertes um den schmalhanswanst, wenn einer einem älter kommt fällt das ab, kannste nichmehr erinnern, waswardas noch. auf der brücke fäkaliennischen, pisserker in denen morgen models beine zeigen, schrubbt einer mal dazwischen, rückt einer am reflektorstativ, dreht morgen einer einem einen ab. wimmernd die kisten aus havelland, sternfragment drüber, helikopterkreisen. da war mal eine badeanstalt, umplanktes karree im fluss, kabinen drumrum. da fährt die wasserschutzpolizei, wendet, fährt zurück, geregelte verhältnisse.

5 der fluss da, als ginge das bis weit, irgendwo amsterdam durch die wassertrassen, gebaggerte euroschiffskanäle, irgendwo das blühen von landschaften an der ruhr, oder die gegenrichtung, kranich und nebel. raus da, sich treiben lassen, das wasser am hals. irgendwo die engeren himmel, das privateigentum, häuschen und teich, doppelgarage. irgendwo klimatisierte zonen, feuerwehrmänner winkend über den zäunen schneeweiss, davor das dolden, oder der bildschirmschoner der ein männchen auf dem rasenmäher in draufsicht zeigt, die karreepflege. als vergesse man woher das kommt, das vergessen hier, und diese form des vergessens. wieviel fluss die stadt ab fliesst, wieviele abflüsse, sickergruben, rieselfelder dann, hinaus zu den kameraaugen an den toren ohne namen, dahinter schweigsamkeit, solide verbunkerung. knirschen des sandes, darauf limousinen. weitab fliesst das, raus hier, das treiben lassen. steigende pegel, gemächliche jagd, trinkspruch auf ein geflecht von auslandskonten. ein kleiner see vielleicht, ins grundstück ragend. das leise solcher seen, das auslaufen jeder verbindlichkeit, so bei sich.

ralf b. korte

 
 
 
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