Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Berlin liegt an einem Fluß

Die Spree als Thema für Kunst und Stadtplanung

Berlin, juchhee, liegst an der Spree. Träge schwappt die trübe Brühe ans Ufer der Hauptstadt. Wenn der Fluß nach Starkregen das Gemisch aus Abwässern und Regenwasser aus der Mischkanalisation verkraften muß, treiben tote Fische bäuchlings flußabwärts. Daher das dauerhafte innerstädtische Badeverbot, das die Berliner und ihre Gäste in diesem heißen UNESCO-Jahr des Süßwassers besonders hart traf. Die baldige Beschwimmbarkeit der Spree ist jedoch eine Vision, mit der sich bereits Künstler auseinandersetzen. Übrigens soll das Baden in ihr erst in zwei bis drei Jahrzehnten gefahrlos möglich sein.

Nach der Wende wurde im „Leitbild Spreeraum" definiert, die Stadt zum Wasser „umzudrehen". Einst Motor der Industrialisierung, dann Grenzfluß, wurde die Spree kaum noch als Lebensader wahrgenommen. Die Protagonisten aus Stadtentwicklung und Stadtmarketing vermochten es seither kaum, ihr Potential als Freizeitressource wirkungsvoll umzusetzen. Vor allem gingen bislang das Element Wasser an sich und der Umgang mit dem Genius eines Fließgewässers total unter. Möglich, daß die sommerliche Invasion diverser Spreestrände in Mitte, Friedrichshain oder Moabit als Indiz für einen Stimmungswechsel im Umgang mit dem „natürlichen" Element gewertet werden kann. In der Kunstszene sind jedenfalls einige Projekte am Start, deren Fokus explizit auf das Wasser der Spree zielt. Zum Teil wird dabei an den, im nationalen Eifer ab 1989 nahezu versiegten, ökologischen Stadtumbau Westberliner Prägung angedockt. Etwa, wenn Kunst und Wissenschaft fruchtbare Symbiosen im Bereich der Fließgewässerökologie eingehen.

Die Stadtkunstprojekte e.V. lobten zum künstlerischen Ideenwettbewerb con_con: constructed connections ­ Brücken als Orte der Kommunikation sieben Preisträger aus. Die Realisierung dieser Projekte soll 2004 mit Mitteln aus dem Hauptstadtkulturfonds entlang der Spree erfolgen. Die Sieger AMP Arquitectos (Teneriffa) und Susanne Lorenz (Berlin) wollen einen 36 Meter langen und acht Meter breiten Schubleichter vor der Arena in Treptow verankern. Mit frischem Wasser gefüllt, bietet das mit der Reling nur gering über die Wasseroberfläche herauskragende Badeschiff die perfekte Illusion eines historischen Flußschwimmbads.

Bereits im Juni fiel die Wettbewerbsentscheidung zur Gestaltung des Spreeufers entlang der denkmalgeschützten East Side Gallery in Friedrichshain. Der künftige Uferpark ist in das städtebaulich umstrittene Projekt „Arena am Ostbahnhof" der Anschutz Entertainment Group integriert und wird von den Developern auch finanziert. An dem letzten erlebbaren Mauerverlauf von Relevanz wird, auf Grundlage des Entwurfs aus dem Berliner Büro Häfner/Jiménez, einer der frequentiertesten Uferfreiräume Berlins entstehen. Den visionärsten Ansatz verfolgte jedoch eine Berliner Arbeitsgruppe aus Büro cet-0 und Botanischem Büro, die ­ unter der Annahme einer perspektivischen Beschwimmbarkeit der Spree ­ Berlins längsten Sandstrand imaginierte.

Pariser und Berliner treffen sich auf Einladung des Kompetenzzentrums Wasser zum wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch „Berlin trifft Paris", um Fragen des großstädtischen Wassermanagements zu diskutieren, während Ralf Steeg vom Botanischen Büro und Tim Edler vom Berliner Büro Realities-United mit ihrem Vortrag „Baden in der Spree – eine Utopie?" in die Offensive gehen: Edler verfolgt seit 1998 die Idee, in dem für den Schiffsverkehr gesperrten Kupfergraben in Mitte ein Flußschwimmbad zu eröffnen. Zur Filterung des Wassers soll auf Höhe der Fischerinsel eine vorgelagerte Schilfkläranlage entstehen.

Schließlich will der Filmemacher Gerd Conradt (Starbuck – Holger Meins) seine Biographie der Spree 2005 auf der Berlinale vorführen. Noch unklar ist, ob er für die Promotion zum Eisbaden einladen wird. Bevor das Flußschwimmen demnächst zum ultimativen Hype gerät, bleiben wir gelassen, chartern uns ein Spreetaxi vom Schiffskontor und cruisen trockenen Fußes zickzack die Spree von einem Club zum andren rauf und runter.

Andi Seidel

> Die Ausstellung „con_con: constructed connections – Brücken als Orte der Kommunikation" ist noch bis zum 28. Oktober in der Galerie Aedes-East in den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Str. 40/41, Mitte, zu sehen

> Das Symposium „Berlin trifft Paris" findet am 23. Oktober im Festsaal des DBB, Friedrichstraße 169/179, Mitte, statt. Infos unter www.kompetenz-wasser.de

 
 
 
Ausgabe 08 - 2003 © scheinschlag 2003