Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Die Vögel zwitschern auch im KZ

Sarah Schönfeld zur Ausstellung „Auschwitz - Conservation Camp 02"

Die Kunststiftung Poll zeigt bis zum 1. November eine Arbeit von Sascha Schmalenberg und Sarah Schönfeld, die das Konzentrationslager Auschwitz zum Gegenstand hat. Die Künstler dokumentieren die touristische Realität der Gedenkstätte und setzen sich mit diesem Ort in Form von Performances auseinander, in denen sich z.B. Schönfeld unbekleidet im KZ die Haare schert. Gezeigt werden Videoinstallationen und Fotografien.

Was waren die Intentionen, die dich und Sascha Schmalenberg zu dem Projekt geführt haben?

Als wir das erste Mal nach Auschwitz gefahren sind, waren wir natürlich zunächst schockiert. Aber ich muß zugeben, daß ich doch eigentlich eher enttäuscht war. Ich habe mich dann gefragt, woher das kommt. Dabei habe ich entdeckt, daß meine Vorstellung von Auschwitz zum einen nur über die vorhandenen Fotos geprägt ist, grobkörnig und schwarz-weiß. Zum anderen ergibt sie sich durch die Fiktion. Ich habe festgestellt, daß mein inneres Bild ganz stark von diesen Klischees geprägt ist. Als ich dann da war, habe ich gemerkt, daß die Realität weder schwarz-weiß ist, noch ist sie gruselig oder hat eine Hintergrundmusik wie im Film. Stattdessen scheint die Sonne, zwitschern die Vögel, und man spürt nichts Außergewöhnliches.

Wolltet ihr nur Fragen stellen oder auch Kritik üben?

Erst mal wollten wir nur hingehen und Fragen stellen. Dabei habe ich persönlich festgestellt, daß es auf diese Fragen keine Antworten gibt. Wenn man etwas kritisiert, muß man auch einen Ansatz dafür bieten, was sonst noch möglich wäre. Und das haben wir nicht.

In bisherigen Presseartikeln ist der Anschein geweckt worden, daß es sich doch um eine Kritik am Erlebnistourismus handelt.

Wir haben uns eigentlich vorsichtig geäußert und wollten keine Anklage formulieren, aber schlußendlich stand es dann doch anders in den Artikeln.

Bei der Ausstellung werden die Touristenströme in einer Gaskammer und der Marsch der Überlebenden gezeigt. Was wollt ihr kritisieren?

Grundsätzlich war alles, was wir in Auschwitz beobachtet haben, zuerst seltsam. Es ist zwar verständlich, daß die Israelis da hinfahren, aber auf der anderen Seite kommt es einem auch sehr komisch vor, wenn da 6000 Juden eine große Party feiern. Das sitzt man erst einmal davor und ist total ratlos. Und diese Ratlosigkeit habe ich überall wiedergefunden. Worauf ich am Schluß der Arbeit gestoßen bin, ist, daß unsere Generation mit diesem Thema einfach nur hilflos ist.

Auf der einen Seite ist eure Arbeit sehr sensibel, auf der anderen Seite behauptet sie, ein Tabu zu brechen. Paßt das zusammen?

Ein Tabu gebrochen haben wir ja trotzdem, z.B. durch die Performance, bei der sich der Betrachter denkt, daß das eigentlich nicht geht.

Zu einem Tabubruch gehört auch Empörung. Gab es denn entsprechende Reaktionen?

Zunächst einmal bei der Performance im Lager. Aber auch im Nachhinein haben viele auf die fotografische Dokumentation schockiert reagiert.

Du bist nach Auschwitz gefahren, hast dich dort vor dem Krematorium ausgezogen und dir die Haare rasiert. Wie hast du diese Momente erlebt?

Es ist eine ganz schwierige Geschichte, über die Gefühle zu sprechen, die ich dort hatte, weil ich es auf jeden Fall vermeiden möchte, daß es ein Vergleich wird. Ich möchte nicht behaupten, daß ich irgendetwas nacherlebt habe.

Habt ihr keine Angst, daß euch vorgeworfen wird, ihr hättet Auschwitz nur als Kulisse mißbraucht, um euch selber in Szene zu setzen?

Die Gefahr besteht, gerade bei den Performances. Da war mir ganz schnell klar, daß man auch sagen könnte, das war eine unbedeutende Künstlerin, die einen krassen Hintergrund gesucht hat, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Interview: Crisse Küttler

> „Auschwitz - Conservation Camp 02" von Sascha Schmalenberg und Sarah Schönfeld ist noch bis zum 1. November in der Kunststiftung Poll, Auguststr. 3, Mitte, zu sehen.

 
 
 
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