Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Maximale Abschöpfung

Mathew D. Rose ermittelt im Berliner Bankenskandal

Neulich samstagnacht war eine der unzähligen Berlinkulissen-Soaps im TV zu sehen, etwas mit Rotlicht im Titel. Da wurde ein Handlungsstrang um den Hals eines Baulöwen gelegt, der eine sogenannte Vergangenheit im Milieu mit sich herumschleppen muß, schließlich von ihr eingeholt wird. Diese seltsame Idyllik von Rührstücken, in denen sich verheulte Blondinen von gutherzigen Kerlen aus den Fängen kaltblütiger Zuhälter retten lassen. Diese eigenartige Verhüllung der Wirklichkeit, wenn die Mär vom Aufstieg des halbseidenen Luden zum großen Erbauer erzählt wird. Außerhalb solch potemkinscher Medienrealität hingegen tragen manche Trickbetrüger in Berlin ihre weißen Westen seit den Jugendjahren im fränkischen RCDS spazieren und haben sicher noch nie ein Bordell geführt...

Wer sein Buch über die Bankgesellschaft Berlin unter den Titel Eine ehrenwerte Gesellschaft stellt, hat das Wesentliche zum Thema schon gesagt. Die 260 Seiten danach dürfen als Aufdeckung mafiöser Strukturen gelesen werden, dienen der Beschreibung parasitärer Organismen am Körper einer Marktwirtschaft, die ohne entsprechenden Befall den Beifall des Autors findet. Das Material, das Rose hier neu arrangiert, repräsentiert seine Recherchen des letzten Jahrzehnts: Die Buchform bietet den Vorteil, es aus den einzelnen Artikeln und Rundfunkbeiträgen nicht selbst zusammenklauben zu müssen. Wer zu verstehen versucht, was den Ruin des Landes Berlin unter anderem verursacht hat, findet hier notwendige Daten, um sich ein noch vorläufiges Bild zu machen von jener Verzahnung der Systeme, die das In-die-Tasche-Greifen aus dem Ineinandergreifen von Instrumenten als Synergie-Resultat erbringt: ein Geflecht aus Bankmanagern und/oder Politikern und/ oder Bauunternehmern, nach Kräften gedeckt von Wirtschaftsprüfung und Bundesaufsicht, nach Kräften unterstützt von den ängstlichen Hinterbänklern aller Parteien im Abgeordnetenhaus, mit dem Ergebnis eines selbstverschuldeten Totalverlustes für die öffentliche Hand bei hohen Gewinnmitnahmen für die Täter, von denen sich die Mehrzahl noch in diesem oder jenem Amt und entsprechenden Würden befindet...

So verdienstvoll die Arbeit dieses Offenlegens ist, so unbefriedigend bleiben die Analysen von Rose, der die hiesigen Verhältnisse an mehreren Stellen „realsozialistisch" nennt. Diese „realsozialistischen" Verhältnisse im Westen Berlins repräsentieren aber durchaus typische Verfahren der Ausschaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien in gegebenen oder konstruierten Sondersituationen, dienen stets der maximalen Abschöpfung durch wenige unter Vorspiegelung fantastischer Aussichten für alle. Früher nannte man dergleichen Oligarchien der Kriegsgewinnler. Ob kaiserreichsdeutsche oder Nazi-Bonzen oder sonstige Wende-Spekulanten, die Mitnahme-Effekte gleichen sich, auf welcher Grundlage auch immer mitgenommen wird.

Die Methode von Rose, den Berliner Sumpf als Gegenstück zur idealen freien Marktwirtschaft zu entlarven, hypertrophiert, wenn er am Ende seines Buches prophetisch den Zusammenbruch der Bankgesellschaft nur den Vorboten eines allgemeinen Zusammenbruchs des deutschen Gemeinwesens nennt. Verkrustung wird beklagt, Geklüngel um die Gelder der öffentlichen Hand. Wer will da widersprechen. Indessen scheint das Traumbild einer kapitalistischen Entwicklung, in der fairer Wettbewerb zu besten Ergebnissen für alle führt, unverrückbar im Herrgottswinkel des Kopfes des Ermittlers zu hängen. Woher er den Glauben nimmt, erfahren wir allerdings nicht.

Wie gesagt: Rose deckt Konstellationen des Mißbrauchs von Kapitalmacht auf und verhüllt sie sogleich wieder mit der kontrafaktischen Metapher Realsozialismus. Wenn aber die vollzogene Ausplünderung nicht systemisch erklärt werden will (die Geschichte der Immobilienwirtschaften in den bürgerlichen Metropolen Europas zum Beispiel gäbe genug Anhaltspunkte dafür), sondern jegliche Fehlentwicklung dem handelnden Personal und ihrem spezifischen Milieu schuldhaft unterstellt wird, so muß Rose vorgehalten werden, gerade in der Schilderung des Milieus unscharf geblieben zu sein. Warum dies im Falle von Persönlichkeiten wie dem intern gern als GröBaZ („Größter Bauträger aller Zeiten") genannten Initiator des Immobilienfonds' Manfred Schoeps unterbleibt, deutet Rose am Beginn des ihm gewidmeten Kapitels immerhin an. Praxis angelsächsischer Journalisten sei es, „die handelnden Personen bis auf ihre Unterwäsche ­ und manchmal darüber hinaus ­ zu durchleuchten. Deutschland liegt am anderen Ende der Skala." Rose scheint andeuten zu wollen, über weitergehende Kenntnisse zu verfügen, die er mit Blick auf hiesige Gepflogenheiten für sich behält. Daß sich gerade der GröBaZ in dieser Hinsicht als äußerst empfindlich erweist, belegt die 3. korrigierte Auflage des im TRANSIT Verlag erschienenen Buches, in der sich durch Schoeps via Landgericht Nürnberg-Fürth erwirkte Schwärzungen finden.

Die Milieustudie des bisher größten Bankenskandals Deutschlands bleibt vermutlich einer der unzähligen Berlinkulissen-Soaps vorbehalten. Wir werden irgendwann schon noch zu sehen bekommen, welches Rührstück sich hinter den von Rose bisher zusammengetragenen Fakten verbergen läßt. Daß das Wahre das Halbseidene sei, steht schließlich im Grundgesetz jeder Medienrepublik.

Ralf B. Korte

> Mathew D. Rose: Eine Ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin. Transit Buchverlag, Berlin 2003. 16,80 Euro

 
 
 
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