Ausgabe 08 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Nie wieder nach Paris fahren müssen

Eine Edel-Club-Aktiengesellschaft will ins Metropol

So kennt man das in Berlin: eine Ruine gemietet, drei DJs angeheuert, ein paar Flyer verteilt – fertig ist der Club. Bald steht er in der zitty, und ein paar Jahre später kann man auf das Prädikat „legendär" hoffen. Alle haben was erlebt, manche Spaß gehabt und einige auch Geld verdient.

Aber es muß nicht immer Techno in feuchten Kellern sein und auch nicht bierseliges Schunkeln zu „London calling" im umgenutzen Gemüseladen. Auch edle Clubs können Spaß machen: teure Düfte, Verschwendung, Dekadenz allenthalben, Koks und Cocktails am und laszive Tänze auf dem Tresen ­ manche suchen ihr Leben lang nach diesen Szenen.

So gibt es denn auch immer wieder Versuche, das schrammelige Berliner Nachtleben mit teuren und entprechend lukrativen Etablissements zu durchsetzen. Chip, First, Dorian Gray warten auf wohlhabende Kundschaft; das 90 Grad sucht eine noble Adresse, seit Monaten geht das Gerücht, daß das Münchener Pacha eine Dependance in Kreuzberg plant.

Den ganz großen Coup plant die Goya AG. 10 Millionen Euro will die Gruppe ­ geleitet von Peter Glückstein (Bar am Lützowplatz), Jaques Ihle (Metropol) und einigen Werbeagenten und Kaufleuten ­ in das Metropol am Nollendorfplatz stecken, um Berlin endlich zu einem S-Klasse-Club zu verhelfen. 2000 Quadratmeter, 16 Meter Raumhöhe, ein „Meer von Kerzen" auf feudalen Tafeln, wo es Mediterranes zu essen gibt, darüber zwei Ränge mit „Cervezeria", Tapasbar und natürlich mehreren Cocktailtresen, unter ihnen auch jene VIP-Lounge, die den Aktionären des Unternehmens vorbehalten bleibt. Passend zum Namen (Morgenpost: „ein Starmaler seiner Epoche") die Inneneinrichtung: „Stararchitekt" Hans Kolhoff will alles in mediterranem Weiß halten.

„Nie wieder nach Paris fahren müssen", lockt der Werbeprospekt. Was für Nöte haben die Aristokraten dieser Stadt! Daß sie ausgerechnet in einem Kolhoff-Interieur nach sinnlichen Genüssen suchen und dabei Erlebnisgastronomie mit Latino-Touch über sich ergehen lassen. Daß sie „die größte Cocktailbar Europas" für einen szenigen Slogan halten, daß sie hoffen müssen, eine gute Party per Aktienpaket einkaufen zu können ­ alles haben sie verdient, die Reichen und ihre Schönen, aber keinen Neid.

Der Showroom in der Budapester Straße, in dem die Goya AG um Interessenten wirbt, wirkt wie der Ballsaal eines Offizierskasinos. Am Konferenztisch Geschäftsleute, die große Namen raunen – offenbar sucht man Sponsoren. Bis Ende des Jahres müssen 500 Aktionäre zusammenkommen; 2000 sollen es bis zur Eröffnung werden. Die Pressesprecherin hofft, daß alles gut geht; schließlich arbeitet sie aus Idealismus. Und wenn es nicht klappt? Mannhaft ertönt es vom Konferenztisch: „Dann eben nicht. Wir akzeptieren das Votum Berlins." Das immerhin ist für Investoren ungewöhnlich und bei Lichte betrachtet sogar richtig sympathisch.

Johannes Touché

 
 
 
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